Menschenbilder - Jochen Fahrenberg
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<strong>Menschenbilder</strong> und Religion<br />
14 Gottesliebe und Nächstenliebe, Rechtfertigung und Gnade vor Gott,<br />
der durch seinen Sohn Rettung und ein ewiges Leben ermöglicht<br />
Vorbehalte<br />
Wenn es in diesem und in den folgenden Kapiteln um den Glauben geht, ist das für viele ein sehr privater,<br />
auch verletzlicher Bereich. Andere Menschen sprechen frei darüber und heben das christliche<br />
Menschenbild hervor, auch wenn es häufig nicht mehr so eindeutige Bekenntnisse sind wie in früheren<br />
Generationen. Die grundsätzlichen Vorbehalte, den religiösen Glauben so zu diskutieren wie andere<br />
anthropologisch-philosophische Überzeugungen, sollen hier am Anfang stehen.<br />
Glauben heißt tiefste Überzeugung und Gewissheit, Wahrheit zu erkennen und zu erleben, ohne<br />
auf besondere Vernunftgründe oder wissenschaftliche Beweise angewiesen zu sein. Glaubensgewissheit<br />
bedarf keiner philosophischen und kritisch-intellektuellen Auseinandersetzungen. Bereits die<br />
theologischen Erörterungen, die begrifflichen und historisch-kritischen Auslegungen der Bibel, die<br />
Exegese der Heiligen Schrift, sind auf einem kritischen Weg und enthalten schon den Ansatz des<br />
Zweifels. Für viele tiefreligiöse Menschen werden die persönliche Glaubensgewissheit und die grundsätzlich<br />
an allem zweifelnde Vernunft einander ausschließen. Dieser Widerspruch wird kaum durch<br />
paradoxe Sätze gemildert werden können, die eigentliche Vernunft läge gerade in der Annahme des<br />
Glaubens oder der Zweifel gehöre zum Glauben. Mit den Begriffen Gottvertrauen und Heilsgewissheit<br />
beschreiben die Gläubigen ihre fundamentale Gewissheit. Die innere Haltung, im Bewusstsein vor<br />
Gott zu stehen, prägt auch das Verhalten eines Menschen und einer christlichen Gemeinde.<br />
Christen, die ihren Glauben sehr ernst nehmen, könnten von außen stammende Fragen für unangemessen<br />
halten. Gibt es nicht viele Bereiche, die der menschlichen Vernunft unzugänglich sind?<br />
Dann wären psychologische Analysen, wie der Glauben des Einzelnen durch die religiöse Erziehung<br />
ausgebildet und geprägt wurde, fehl am Platz. Aus dieser Sicht können sogar theologische Auseinandersetzungen<br />
störend wirken, wenn sie eine Kluft zwischen Glauben und Theologie öffnen – ohne<br />
Gefühl für die Befindlichkeiten der Menschen. Es entstünde der Eindruck intellektuellen Hochmuts,<br />
wenn Probleme aufgerichtet würden, die kaum etwas mit dem gelebten Glauben zu tun hätten. Sich<br />
auf diese anthropologisch-psychologischen Fragen näher einzulassen, könnte zu Krisen führen, eventuell<br />
zur Verunsicherung oder gar zur Abkehr vom Glauben.<br />
Doch es gibt auch die andere Einstellung, sich dem Gespräch über die religiösen Grundüberzeugungen<br />
nicht zu verschließen. Nur noch wenige Menschen leben in einer abgeschlossenen Glaubensgemeinschaft,<br />
und die Kirchen existieren heute in einer säkularen, pluralistischen Welt. Sich mit möglichen<br />
Schwierigkeiten und Zweifeln zu beschäftigen, gehört wesentlich zur Entwicklung der gereiften<br />
und beständigen Religiosität. Die Relativierungen, die sich beim Vergleich mit anderen Grundüberzeugungen<br />
und anderen <strong>Menschenbilder</strong>n auftun können, enthalten nicht nur Risiken, Glaubenszweifel<br />
zu fördern, sondern auch die Chance, eigene Überzeugungen aus der Kenntnis des Anderen genauer<br />
unterscheiden, besser ausdrücken und vertreten zu können.<br />
Was ist Religion? Welche Vorstellung von Gott können Menschen haben? Wie sind die zentralen<br />
Glaubenssätze und das Menschenbild des Christentums zu beschreiben? Diese eng zusammenhängenden<br />
Fragen werden innerhalb der heutigen Theologie und Religionsphilosophie sehr unterschiedlich<br />
beantwortet und haben durch den sich allmählich öffnenden interreligiösen Dialog viele weitere Dimensionen<br />
gewonnen.