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Menschenbilder - Jochen Fahrenberg

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153 <strong>Menschenbilder</strong>: Psychologische, biologische, interkulturelle und religiöse Ansichten ( J. <strong>Fahrenberg</strong>, 2007)<br />

offenkundigen Sinnlosigkeit des Weltgeschehens, und nach der Absicht des von Gott geduldeten Unrechts<br />

wird entweder mit der Leugnung Gottes beantwortet oder von einigen auch zu einem indirekten<br />

Gottesbeweis umgedeutet, denn der Aufstand gegen Gott setzt einen Glauben an Gott voraus. 5<br />

Kann es ein liebender Gott sein, der das unermessliche Leiden und das Böse zulässt, entweder als<br />

Prüfung oder zur Läuterung der sündigen Menschen, die er schuf? Oder hat diese „unterlassene Hilfeleistung“<br />

andere Motive? Sollen die Menschen lernen, sich moralischer zu verhalten? Im Konflikt mit<br />

menschlichen Vorstellungen von Moral, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit wurden zahlreiche theologische<br />

Versuche unternommen, Gott von der Verursachung des Bösen zu entlasten. Viele Autoren<br />

scheinen bereit, eher an der Güte als an seiner Allmacht und Allwissenheit Abstriche zu machen, andere<br />

verweisen auf die absolute Freiheit und Macht Gottes, können aber den Mangel an Güte nicht<br />

verstehen. 6<br />

Anlässlich der Tsunami-Katastrophe in Südostasien drängte sich die Theodizee-Frage der Öffentlichkeit<br />

auf, doch die Antworten der Kirchen waren eher spröde. Bischof Huber erklärte: „Nicht die<br />

Allmacht Gottes, sondern die Allmachtsvorstellungen des modernen Menschen werden durch dieses<br />

Geschehen in ihre Schranken gewiesen.“ Kardinal Lehmann meinte, dass die Theologie nach Auschwitz<br />

mit Antworten sehr viel sensibler geworden sei und erinnerte auch an Jesu Klage über seine<br />

Gottverlassenheit vor dem Kreuzestod. Er kenne die Grenzen der Theorie, doch bliebe den Menschen<br />

zumindest der Weg, aktive Hilfe zu leisten.<br />

Das personifizierte Böse<br />

Mit Leibniz wird oft zwischen dem metaphysischen Übel in der Unvollkommenheit des Seienden,<br />

einem physischen Übel in Schmerz und Leiden und einem moralischen Übel unterschieden. „Böse“ im<br />

engeren Sinn kann nur das moralische Versagen des Menschen sein, wenn eine Handlung nicht mit<br />

dem Sittengesetz übereinstimmt. In der älteren, theologischen Philosophie wurde gestritten, ob es ein<br />

metaphysisches, jenseitiges Böses, als absolut Böses im Gegensatz zum absolut Guten, geben könne<br />

oder aus christlicher Sicht immer nur ein relativ Böses im Vergleich zum allmächtigen, guten Gott.<br />

Kant sah kein absolut Böses, sondern begriff eine Handlung des Menschen dann als böse, wenn sie mit<br />

vollem Bewusstsein und in Freiheit gegen das Sittengesetz ausgeführt wird.<br />

„Ich sah den Satan vom Himmel kommen...“ – Mit dem Bösen ist hier weitaus mehr als eine<br />

menschenverachtende, grausame und destruktive Handlung gemeint. Von diesem bösen Geschehen<br />

abstrahiert ist das Böse ein metaphysisches Prinzip, die Idee des Bösen. Oder das Böse ist in personifizierter<br />

Form der Satan (Teufel, Luzifer). Im Zuge der Aufklärung wurde der Satan in den theologischen,<br />

philosophischen und psychologischen Schriften zunehmend übergangen und abstrahierend nur<br />

als Idee oder Metapher verstanden, jedenfalls nicht in der anstößig erscheinenden, personifizierten<br />

Gestalt des gefallenen, aber mächtigen Engels, der das Gute aus Hass gegen den Schöpfer zerstören<br />

will und dabei viele Erfolge hat. Der Satan ist ein Geschöpf Gottes, ein gefallener Engel, Gegenspieler<br />

Gottes oder sogar absolutes, negatives Wesen. 7<br />

Weltkriege und Massenvernichtung haben die Idee des Bösen wieder stärker in das allgemeine<br />

Bewusstsein gebracht. Die Philosophin Hannah Arendt hat zwar nie behauptet, dass das Böse nur banal<br />

sei, doch wird dieser Buchtitel Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht über die Banalität des Bösen<br />

(1963) häufig zitiert, um die schlimme Alltäglichkeit der bösen Handlungen auszudrücken. Reicht die<br />

Vorstellung wirklich aus, dass solche bösartigen Handlungen nur von Menschen mit besonders destruktivem<br />

Charakter begangen werden? Im Weltkatechismus heißt es zum Bösen:<br />

Die Engel und die Menschen, intelligente und freie Geschöpfe, müssen ihrer letzten Bestimmung aus<br />

freier Wahl entgegengehen und ihr aus Liebe den Vorzug geben. Sie können darum auch vom Weg<br />

abirren und sie haben auch tatsächlich gesündigt. So ist das moralische Übel in die Welt gekommen,<br />

das unvergleichlich schlimmer ist als das physische Übel. Gott ist auf keine Weise, weder direkt noch<br />

indirekt, die Ursache des moralischen Übels. Er lässt es jedoch zu, da er die Freiheit seines Geschöpfes<br />

achtet, und er weiß auf geheimnisvolle Weise Gutes daraus zu ziehen. (Weltkatechismus 311)<br />

Demzufolge sind Engel und Dämonen nicht nur mythologisch-literarische Wesen, sondern haben eine<br />

Ähnlichkeit mit menschlichen Seelen. Die Lehrdokumente der katholischen Kirche setzten einfach die<br />

Existenz von Dämonen voraus und definierten nicht genau, welche Eigenschaften und Formen sie

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