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Menschenbilder - Jochen Fahrenberg

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8 <strong>Menschenbilder</strong>: Psychologische, biologische, interkulturelle und religiöse Ansichten ( J. <strong>Fahrenberg</strong>, 2007)<br />

grenzung der philosophischen Reflexion von der empirischen Ethnologie sehr fragwürdig. Auch in<br />

Tugendhats eigenen Problemskizzen, zur Willensfreiheit, Moral, Religion, Verhältnis zum Tod, ist die<br />

gemeinte Strukturierung noch zu wenig ausgearbeitet.<br />

Angesichts der engen Fassung von empirischer Anthropologie als Kulturanthropologie bleibt unklar,<br />

wie Tugendhats Programm zu modifizieren wäre, wenn u.a. auch die empirische Psychologie, die<br />

Psychoanalyse oder die methodischen Fortschritte der kritischen Interpretationsmethodik einbezogen<br />

würden, um das „Verstehen“ zu erklären und zu verstehen. Aus psychologischer Sicht kann also diese<br />

Aufgabe methodisch genauer strukturiert werden, indem einzelne Überzeugungssysteme inhaltlich<br />

beschrieben und zugleich die Vielfalt typischer <strong>Menschenbilder</strong> in ihren typischen Grundüberzeugungen<br />

herausgearbeitet wird. Das psychologische Wissen über subjektive Theorien und deren methodische<br />

Erkundung ist unentbehrlich. Auf diese Empirie zu verzichten wäre – auch wenn der Vorwurf des<br />

„Psychologismus“ droht – sehr unglücklich, denn die Philosophische Anthropologie könnte den Weg<br />

ebnen zu einer Interdisziplinären Anthropologie.<br />

Welches die eigentlichen philosophisch-anthropologischen Fragen sein müssten, welches die Reichweite<br />

der Philosophie ist und auf welche Weise sich Philosophie von den Einzelwissenschaften unterscheidet,<br />

ist häufig kommentiert worden. Gerade für das Thema Mensch sind enge Abgrenzungen am<br />

wenigsten einleuchtend.<br />

<strong>Menschenbilder</strong> bekannter Psychologen und Psychotherapeuten<br />

In allen Berufen, die mit Menschen zu tun haben, werden sich Erfahrungen herausbilden, die weit über<br />

den eigenen Lebenskreis hinausgehen und das Menschenbild formen: bei Ärzten, Lehrern, Pfarrern,<br />

Sozialpädagogen und in vielen weiteren Berufen. Auf andere Weise geschieht dies bei Soziologen und<br />

Historikern, und in der Abstraktion von einzelnen Lebenserfahrungen bei Philosophen.<br />

Unter allen Berufsgruppen haben die Psychologen durch fachwissenschaftliches Studium und<br />

praktische Tätigkeit die größte Nähe zum Thema Menschenbild. Wenn zur wissenschaftlichen Ausbildung<br />

eine längere Berufspraxis mit Beratungstätigkeit oder Psychotherapie hinzukommen, dann ergeben<br />

sich Einsichten in die Vielfalt individueller und typischer <strong>Menschenbilder</strong> und Weltanschauungen.<br />

Damit soll keine Überlegenheit der psychologischen gegenüber der philosophischen Anthropologie<br />

behauptet werden. In der abstrakten Zuspitzung kann das philosophische Denken schärfer sein als die<br />

Erfahrungen und Konstruktionen der Psychologen und anderen Humanwissenschaftler. Die Empiriker<br />

müssen sich mit ihren Methoden auseinandersetzen und außerdem an die praktischen Konsequenzen<br />

für andere Menschen denken.<br />

Für dieses Kapitel wurden Textstellen von acht Autoren ausgewählt: Sigmund Freud, Carl Gustav<br />

Jung, Charlotte Bühler, Erich Fromm, Carl R. Rogers, Viktor E. Frankl, Abraham H. Maslow und<br />

Burrhus F. Skinner. Alle waren Psychologen bzw. Psychotherapeuten. Durch diese berufliche Erfahrung,<br />

die über die allgemeine Lebenserfahrung hinausgeht, können gerade ihre <strong>Menschenbilder</strong> als<br />

wichtige Beiträge zur Psychologischen Anthropologie gelten. Dennoch brauchen ihre Annahmen über<br />

den Menschen nicht gedanklich überzeugender oder empirisch zutreffender zu sein als die <strong>Menschenbilder</strong><br />

anderer Autoren. Gewiss haben z.B. Freud, Fromm oder Skinner durch ihre empirische Arbeit<br />

und durch die Darstellung ihres eigenen Menschenbildes tiefe Wirkungen auf die heutige Sicht des<br />

Menschen ausgeübt: in der Fachdiskussion, bei Schriftstellern und auch in der öffentlichen Meinung.<br />

Sie haben diese <strong>Menschenbilder</strong> wahrscheinlich stärker beeinflusst als die meisten neueren Philosophen.<br />

<strong>Menschenbilder</strong> der Religionen<br />

Die großen Weltreligionen geben Antworten auf Kants vier Grundfragen – allerdings in sehr widersprüchlicher<br />

Weise. Innerhalb und außerhalb der Religionen haben viele Denker weitere Antworten<br />

versucht, und es wird immer wieder neue Weltsichten geben. Die geistigen Traditionen im christlichen<br />

Abendland bildeten hier lange Zeit den Hintergrund der Psychologischen Anthropologie. Auch die<br />

Philosophen insgesamt und selbst die Skeptiker, Atheisten und Agnostiker können sich dieser Tradition<br />

nicht leicht entziehen. Dies sind die Gründe, in einem Kapitel wenigstens auf einige Aspekte des<br />

christlichen Menschenbildes einzugehen. Auch der Buddhismus ist wegen des Kontrastes dieser „Religion<br />

ohne Gott und ohne Seele“ zu den monotheistischen Religionen, Christentum, Jüdische Religi-

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