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Menschenbilder - Jochen Fahrenberg

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214 <strong>Menschenbilder</strong>: Psychologische, biologische, interkulturelle und religiöse Ansichten ( J. <strong>Fahrenberg</strong>, 2007)<br />

Der Beginn eines zum theologischen Dogma vordringenden interreligiösen Dialogs, nicht nur der<br />

monotheistischen Religionen, wird in der zusammenwachsenden Welt unumgänglich sein. Es könnte<br />

sein, dass sich diese Auseinandersetzung zunächst vor allem zwischen dem Katholizismus und dem<br />

Islam sowie den Evangelikalen entwickelt. Alle drei Bekenntnisse zeichnen sich durch einen sehr<br />

markant vertretenen Anspruch auf absolute Geltung aus. Es wird sich herausstellen, wie der Vatikan,<br />

der für ca. 1,1 Milliarden Menschen spricht, sich gegenüber den kaum organisierten Religionsführern<br />

von ca. 1,3 Milliarden Muslimen verhalten wird. Von den 6,5 Milliarden der Weltbevölkerung wäre<br />

jedoch weniger als die Hälfte überhaupt von einem Dialog zwischen Katholizismus und Islam berührt.<br />

Umgang mit dem Pluralismus<br />

Die logische Unmöglichkeit, für sich die Erkenntnis der absoluten Wahrheit zu beanspruchen, diese<br />

aber zugleich auch anderen Religionen zuzubilligen, ist nicht auflösbar. Das Sowohl-als-Auch ist vielleicht<br />

nur jedem Einzelnen möglich. Dennoch bleibt die öffentliche Ausklammerung der Wahrheitsfrage<br />

die unabdingbare Voraussetzung sowohl einer Demokratie als auch des vertieften interreligiösen<br />

Dialogs.<br />

Die fundamentale Abwehr des Pluralismus zeichnet einen Teil der offiziellen theologischen Position<br />

aus. Nicht die Befreiung von einer vielleicht zu starren Dogmatik, sondern die Gefahr der Beliebigkeit<br />

wird hervorgehoben. Die wiederkehrenden Metaphern vom Sumpf der Beliebigkeit oder dem<br />

Meer der Standpunktlosigkeit dienen zugleich als moralische Mahnung. Hier stellt sich in der Theologie<br />

der Religionen die Frage, welche Stufe der Toleranz geübt wird oder künftig geübt werden kann.<br />

Bleibt es nur bei der passiven Achtung des Anderen oder schließt die Toleranz wirklich aus innerster<br />

Überzeugung die Anerkennung fremder Glaubensüberzeugungen als gleichberechtigt und schließlich<br />

auch als gleichwertig ein?<br />

Missionierung<br />

„Und er sprach zu Ihnen: Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur. Wer da<br />

glaubet und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubet, der wird verdammt werden.“<br />

(Markus 16, 15-16). Die Missionierung durch Wort, Bekenntnis und beispielhafte Lebensführung entspricht<br />

Gottes Wille. Weniger drastisch formuliert gilt das auch im Islam, wo jeder aufgefordert ist,<br />

die Botschaft weiterzutragen und über die ganze Welt zu verbreiten. Auch eine aktuelle Resolution der<br />

Evangelischen Kirche in Deutschland 2007 hält gegenüber dem Islam an dem Bekenntnis zur Mission<br />

fest, und Papst Benedikt XVI. ermahnte die katholischen Entwicklungshelfer: „Das Soziale und das<br />

Evangelium sind nicht zu trennen, doch müsse die Evangelisierung vorausgehen...“<br />

Die in Deutschland noch existierenden Missionswerke für die außereuropäischen nichtchristlichen<br />

Länder sprechen von einem veränderten Missionsverständnis, denn zur Mission und Seelsorge<br />

kommen heute Entwicklungshilfe, Medizin und Sozialarbeit hinzu. Einige der Freikirchen<br />

zeichnen sich durch andere Prioritäten, d.h. durch den Vorrang der Bekehrung aus. Hier treten die<br />

Evangelikalen unterschiedlicher Prägung mit starker finanzieller und wohl auch politischer Unterstützung<br />

aus den USA hervor. Auch deutsche Prediger, z.B. Reinhard Bonnke aus der weltweit angeblich<br />

ca. 300 oder auch 500 Millionen umfassenden Pfingstbewegung, sind aktiv, und es ist die Rede von<br />

heiligen Kreuzzügen, einer Schlacht um die Seele der Menschen und „Ernteeinsätzen“ um ansonsten<br />

verlorene Seelen. Mit überragendem Sendungsbewusstsein werden neue Mitglieder in großen Evangelisations-Kampagnen,<br />

die angeblich mit ihrem Zulauf ganze Fußballstadien füllen, mit dem Versprechen<br />

beeindruckt, dass Konversion und Gebet zu Arbeit und Heilung führen – wenn sie sich von dem<br />

alten Glauben abkehren. Es heißt, dass in Südamerika die Katholische Kirche jährlich ca. 600.000<br />

Mitglieder an die protestantischen Evangelikalen verliere, u.a. an die Pfingstgemeinden, die an eine<br />

spirituelle Wiedergeburt durch direkten Einfluss des Heiligen Geistes glauben und als christliche Erneuerung<br />

predigen. Über ähnliche evangelikale Missionsbewegungen wird aus Südasien sowie aus<br />

Westeuropa und Russland, z.T. als Mission zu Re-Christianisierung, berichtet.<br />

Reisende und Journalisten haben wiederholt sehr beeindruckt von den evangelikalen Gottesdiensten<br />

und Gemeinden in den USA und Kanada berichtet. Die Gläubigen, darunter viele junge Familien,<br />

sind offensichtlich mehr angesprochen als von den traditionellen Gottesdiensten. Eine große Bedeutung<br />

haben die Beteiligung an der Glaubensverkündigung und im Gemeinwesen, die öffentlichen moralischen<br />

Verpflichtungen und die finanziellen Opfer. Die spirituelle Erweckung und Wiedergeburt

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