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Menschenbilder - Jochen Fahrenberg

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238 <strong>Menschenbilder</strong>: Psychologische, biologische, interkulturelle und religiöse Ansichten ( J. <strong>Fahrenberg</strong>, 2007)<br />

Während es in den Appellen des Club of Rome um die schwindenden Ressourcen von Nahrung,<br />

Wasser und Energie angesichts der schnell wachsenden Weltbevölkerung ging, hat sich dieser Sektor<br />

nach verbreiteter Ansicht von Experten wesentlich verbessert. Wenn es heute angesichts der immensen<br />

Fortschritte immer noch Weltgegenden mit katastrophalen Lebensbedingungen und einem Übermaß<br />

an Krankheiten und Kindersterblichkeit gibt, liegt dies hauptsächlich an Misswirtschaft, Diktatoren,<br />

Korruption und lokalen Kriegen. Gegenwärtig dominieren die Sorge um eine mögliche Klimakatastrophe<br />

und Sorgen um die Erhaltung von Natur und Artenvielfalt. Auch dieses ist ein schwieriger<br />

Aufklärungsprozess, und er stößt auf ähnliche Hindernisse wie frühere Bewegungen.<br />

Ein eigenes Thema wäre die mühsame Umsetzung der bereits erkannten wichtigen Trends in politische<br />

und strukturelle Reformen. Die demographische Entwicklung in Deutschland, d.h. die Abnahme<br />

der Bevölkerung und die Überalterung, mit den Folgen für die Arbeitswelt, die Versicherungen<br />

und die Pflegebedürftigkeit, wurde schon vor dreißig Jahren eindringlich beschrieben, und viele Journalisten<br />

könnten anstelle ihrer heutigen Texte auch jene aus den 1980er Jahren wiederverwenden. Die<br />

Warnungen vor den gesellschaftlichen Folgen aufgrund der vernachlässigten Schulen und Universitäten,<br />

der steil anwachsenden öffentlicher Verschuldung oder der internationalen Finanzspekulation und<br />

der unkontrollierten neokapitalistischen Globalisierung klingen manchmal, als ob diese Probleme von<br />

Politikern und Medien erst jetzt entdeckt würden.<br />

Oswald Spenglers Buchtitel aus dem Jahr 1918 Untergang des Abendlandes wird heute noch oft<br />

zitiert, wenn es um die Frage geht, weshalb die mächtigen Imperien der Weltgeschichte zerbrachen.<br />

Die Anlässe scheinen jedoch sehr unterschiedlich gewesen zu sein, so dass kein bestimmtes Schema<br />

auszumachen ist: mal scheint es mehr an einzelnen Personen oder Dynastien, mal an Kriegen oder an<br />

schleichenden Verfallsprozessen zu liegen. Diese Perspektive, die sich ja ebenso auf die gegenwärtigen<br />

Weltmächte erstreckt, bleibt faszinierend. So erklärt sich auch das verbreitete Interesse an den<br />

Phantasien über ungeschehene Geschichte, wenn etwa der Historiker Alexander Demandt und andere<br />

Autoren spekulieren: Was wäre geschehen, wenn ...? Alternativen der Weltgeschichte werden ausgemalt,<br />

d.h. die historische Entwicklung, falls maßgebliche Personen früher oder später gestorben wären,<br />

entscheidende Schlachten anders verlaufen wären usw. 25<br />

Zukunftsvisionen<br />

Zukunftserwartungen sind als Teil der psychologischen Anthropologie zu verstehen: „Wer sind wir<br />

und wohin entwickelt sich die Menschheit?“ Welchen Sinn hat die Gegenwart als Übergang zu jener<br />

künftigen Welt? Zukunftsvisionen sind auch literarische Stoffe. Dazu gehören die Utopien über künftige<br />

Gesellschaftsformen von George Herbert Wells, George Orwell, Aldous Huxley, Burrhus F. Skinner<br />

und Stanislav Lem oder die älteren Staatsutopien von Platon, Thomas Morus und Jonathan Swift.<br />

George Orwells Die Farm der Tiere und Neunzehnhundertvierundachtzig ragen als politische Analysen<br />

des Überwachungsstaates und des Faschismus heraus. Demgegenüber ist die heutige Science Fiction<br />

vergleichsweise arm an durchdachten Entwürfen hinsichtlich künftiger Lebensweisen der<br />

Menschheit. Wahrscheinlich ist es unvergleichlich viel leichter und wird entsprechend häufiger versucht,<br />

über Welten in ferner Zukunft, mit lichtschneller Raumfahrt oder Teleportation, mit ungeahnten<br />

Waffensystemen, Cyborgs und absurden Wesen zu schreiben. Die meisten Helden jener Literatur denken<br />

und fühlen in den Klischees wie in der heutigen Populärliteratur oder in typischen Hollywoodfilmen.<br />

Differenziertere Visionen mit neuen Gesellschaftsformen, über den fortschreitenden Prozess der<br />

Aufklärung und Erziehung, Bewusstseinsbildung und Moral, über die Globalisierung und die multikulturelle<br />

Welt, tauchen nur selten auf. 26 Es mag sein, dass Social Science Fiction für die populäre<br />

Literatur zu langweilig wirken könnte im Vergleich zu Star Wars. Doch in der anspruchsvolleren Literatur<br />

sind heute durchdachte und originelle Versuche über den künftigen Menschen ebenfalls kaum zu<br />

finden.<br />

In einem seiner Essays hatte C. G. Jung versucht, am Beispiel der Meldungen über Unknown<br />

Flying Objects UFO aufzuzeigen, wie sich kollektive Phantasien ausbilden, in denen die überdauernden<br />

Hoffnungen und Ängste projiziert werden. Die Szenarien der Science Fiction Literatur enthalten<br />

einige typische Themen, sowohl positive, humane als auch negative, destruktive Entwicklungen in<br />

technischer, gesellschaftlicher oder religiöser Hinsicht. Hauptsächliche Themen sind u.a. die Befreiung<br />

der Menschheit von Krankheit und Krieg zugunsten von Freizeitgestaltung und Selbstverwirklichung<br />

oder die Eroberung des Weltalls und der Kontakt mit fremden Lebensformen. Gelegentlich

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