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Menschenbilder - Jochen Fahrenberg

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210 <strong>Menschenbilder</strong>: Psychologische, biologische, interkulturelle und religiöse Ansichten ( J. <strong>Fahrenberg</strong>, 2007)<br />

Sinn hat es? Was ist der Weg zum wahren Glück? Was ist der Tod, das Gericht und die Vergeltung<br />

nach dem Tode? Was ist jenes letzte und unsagbare Geheimnis unserer Existenz, aus der wir kommen<br />

und wohin wir gehen?“ – Dieser Ansatz zu einem vertieften interreligiösen Dialog scheint zu stocken.<br />

Kardinal Joseph Ratzinger stellte im Hinblick auf andere Religionen fest, es gebe nur eine einzige<br />

göttliche Heilsordnung, nämlich die christliche, und die sei „unüberholbar“. Nur Jesus von Nazareth sei<br />

der Sohn Gottes, der universale Mittler und Erlöser, der durch seine Menschwerdung, seinen Tod und<br />

seine Auferstehung die Heilsgeschichte zur Vollendung gebracht habe. Andere Mittlertätigkeiten würden<br />

nicht ausgeschlossen, hätten jedoch nur in Verbindung mit der Mittlerschaft Christi einen Wert. Aufgabe<br />

der Kirche sei es, allen Menschen die von Gott endgültig geoffenbarte Wahrheit zu verkünden und sie zur<br />

Bekehrung zu Christus und zur Zugehörigkeit zur Kirche aufzurufen.<br />

Zusammenkünfte von Religionsführern hat es während der letzten Jahre mehrfach gegeben: die<br />

gemeinsamen Friedensgebete im italienischen Assisi 1986 und 2002, die Treffen in Astana, Kasachstan,<br />

und ein Treffen vor dem G8-Gipfel in Moskau. Das Kennenlernen im persönlichen Gespräch<br />

kann Missverständnisse und Abwehrhaltungen verringern, doch der interreligiöse Dialog könnte natürlich<br />

weiter gehen als Kulturpolitik oder Friedensappell. Doch das fundamentale Verständnis Gottes<br />

und der Heilserwartung sind so gegensätzlich, dass ein gemeinsamer Gottesdienst und ein gemeinsames<br />

Gebet nicht möglich zu sein scheinen – wie dies anlässlich des Besuchs von Papst Benedikt XVI.<br />

in einer Moschee erneut zu erkennen war. Der Vatikan stellte klar, dass der Papst sich zwar auf die<br />

nach Mekka gerichtete Nische orientierte, dort aber nicht gebetet habe. Es war offenbar nicht „sein“<br />

Gott.<br />

Nach ihrem eigenen Verständnis stehen sich die drei monotheistischen Religionen untereinander<br />

näher als zu anderen Weltreligionen. Sie bekennen sich zu dem „einen“ Gott, trotz des theologischen<br />

Wissens, dass Gott jeweils mit so unterschiedlichen Eigenschaften und Handlungen beschrieben wird,<br />

dass die Gemeinsamkeit vor allem darin zu liegen scheint, dass es ein einziger und allmächtiger Gott<br />

ist. Diesbezügliche Formulierungen, die von den Päpsten Johannes Paul II. und Benedikt XVI. gewählt<br />

werden, sprechen in der Regel von allen Menschen, die an den einen Gott glauben, d.h. die andere<br />

Religionen werden unter dieser Perspektive immer ausgegrenzt. Jenseits diplomatischer Treffen<br />

ist von einem grundlegenden Dialog der Kirchen mit dem polytheistischen Hinduismus, dem tibetischen<br />

Buddhismus, dem atheistischen Theravada- und Zen-Buddhismus und dem chinesischen Universalismus<br />

nichts zu hören. Interreligiöser Dialog heißt für die christlichen Kirchen primär oder ausschließlich,<br />

Dialog mit Repräsentanten der jüdischen Religion und des Islam.<br />

Im Unterschied zu der eher ökumenischen Einstellung von Johannes Paul II., die sich in der<br />

wegweisenden Enzyklika „Ut unum sint“ äußerte, scheint Benedikt XVI. der interkonfessionellen<br />

Annäherung wesentlich weniger geneigt zu sein. In interreligiöser Hinsicht hatte er als Kardinal<br />

grundsätzliche Bedenken gegen Glaubensmischmasch, gegen eine tendenziell synkretistische Religiosität<br />

und konturlose pazifistische Universalfrömmigkeit geäußert. In seiner Regensburger Rede distanzierte<br />

er sich 2006 von allen multireligiösen Bestrebungen in der katholischen Kirche: „Wer Gott ist, wissen<br />

wir durch Jesus Christus: den einzigen, der Gott ist. In die Berührung mit Gott kommen wir durch<br />

ihn.“<br />

Wie schwierig solche Diskussionsversuche künftig sein werden, zeigte sich anlässlich dieser Rede.<br />

Das deplazierte bzw. nicht angemessen kommentierte, anti-islamische Zitat hat in der islamischen<br />

Welt breite Gegnerschaft und erregte Protestdemonstrationen ausgelöst. Widersprochen hat auch eine<br />

große Anzahl islamischer Theologen und Religionsführer. Könnte es sein, dass sie sich – anders als<br />

Journalisten in deutschen Zeitungen – erinnerten, dass Benedikt XVI., als er noch Vorsitzender der<br />

Glaubenskongregation war, eben jene Lehre der universalen Geltung, Überlegenheit und absoluten<br />

Wahrheit des Christentums sowie der fortwährenden Missionierung der Andersdenkenden mit verfasst<br />

hatte? Die Regensburger Rede ist wohl im Kontext jener Enzyklika zu lesen. Dass diese implizite Herabsetzung<br />

auch des heutigen Islam auf eine allgemeinere Einstellung deuten könnte, belegt auch die<br />

Rede des Papstes auf seiner Südamerikareise 2007. Die uneingeschränkte Rechtfertigung der christlichen<br />

und oft gewalttätigen Heidenmission der Indios provozierte deren Organisationen, so meldeten<br />

Zeitungen. Die päpstliche Darstellung wurde als historisch falsch und als verletzend angesehen.<br />

Die Evangelische Kirche in Deutschland hat als Vorbereitung zum angestrebten interreligiösen<br />

Dialog mit vier islamischen Verbänden erklärt: „Ihr Herz werden Christen schwerlich an einen Gott<br />

hängen können, wie ihn der Koran beschreibt und wie ihn Muslime verehren.“ (EKD 2006) 10 Grund-

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