30.12.2012 Aufrufe

Menschenbilder - Jochen Fahrenberg

Menschenbilder - Jochen Fahrenberg

Menschenbilder - Jochen Fahrenberg

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

115 <strong>Menschenbilder</strong>: Psychologische, biologische, interkulturelle und religiöse Ansichten ( J. <strong>Fahrenberg</strong>, 2007)<br />

siert, interpretiert einige der überkommenen Dogmen neu, vermeidet aber an anderen heiklen Stellen<br />

(z.B. Seelenlehre, Theodizee, Monotheismus und Gewalt) scharfe Zuspitzungen, lässt auch Unerklärliches<br />

und Paradoxien stehen, und die Vernunftbrüche des Glaubens sind für ihn Rätsel oder verborgene<br />

Sinngehalte, die vertrauensvoll hinzunehmen sind. Zum ersten Mal hat ein kenntnisreicher katholischer<br />

Theologe einen systematischen und vertieften interreligiösen Dialog mit Vertretern anderer<br />

Weltreligionen geführt und publiziert. Diese Einstellung erwies sich als außerordentlich konstruktiv in<br />

seinem Engagement für ein Weltethos. Beispielhaft hat Küng gezeigt, wie ein weiter Bogen von der<br />

Theologie zum Dialog der Weltreligionen und zum Verständnis der Naturforschung gezogen werden<br />

kann und wie in diesem Horizont eine umfassendere Sicht auf die Ethik, die Menschenrechte und ein<br />

Weltethos zu gewinnen ist. 10<br />

Scharfe Kritik an Küngs Theologie und Christologie übte der Religionspsychologe Franz Buggle.<br />

Küng treffe in seinen Büchern eine bemerkenswert einseitige Auswahl unter den biblischen Glaubensinhalten<br />

und versuche die moralisch problematischen Inhalte auszulassen oder umzudeuten, um eine<br />

heute noch akzeptable Theologie zu erhalten. Diese Strategien analysierte Buggle ausführlich am Beispiel<br />

des Kreuzestodes Jesu als Sühneopfer und am Beispiel der Gewalt und des Bösen in der Welt im<br />

Widerspruch zu Gottes Güte und Allmacht. 11 Gerade bei dieser Rechtfertigung Gottes (Theodizee)<br />

zeigten sich die eigentümliche Argumentationsstruktur und der Stil Küngs, mit Widersprüchen umzugehen.<br />

Auf die Frage nach dem Bösen gebe Küng keine theologische Antwort, sondern wechsele in<br />

einen global-positiven Predigtstil und begnüge sich mit dem Hinweis auf Jesu Wort: der Mensch könne<br />

Gott unbedingt vertrauen, Gott wisse um alles in dieser Welt, und ohne Gott geschehe nichts.<br />

Küngs Unterscheidung zwischen dem historisch-institutionellen und dem eigentlichen Christentum<br />

bewertete Buggle nicht so sehr als ein Ergebnis der historischen Bibelkritik oder als Ausdruck<br />

theologischer Reformbemühungen, sondern als Freibrief für eine verfälschend-idealisierende Umdeutung.<br />

Eine der Abwehrstrategien Küngs sei die Umdeutung der problematischen Handlungen und Eigenschaften<br />

des biblischen Gottes in ihr Gegenteil; eine andere Strategie sei es, die schlimmsten Botschaften<br />

Gottes einfach wegzulassen. Demgegenüber zitierte Buggle ausführlich: Der alttestamentarische<br />

Gott führt selbst Angriffs- und Vernichtungskriege, befiehlt und exekutiert Genozide. Es gibt in<br />

der Bibel viele Beispiele exzessiver Inhumanität. Durch das Neue Testament bis in die Apostelbriefe<br />

zieht sich eine erschreckende und theologisch-psychologisch kaum auflösbare Legierung von Liebesgeboten<br />

und schwersten Strafandrohungen. Der Teufels- und Dämonenglauben hat beim Jesus der<br />

Evangelien ein großes Gewicht. Der christliche Glaube fordere die absolute Unterwerfung des zum<br />

Guten aus eigener Kraft unfähigen, die ewige Verdammnis verdienenden Menschen unter die willkürliche<br />

Gnade Gottes.<br />

Radikale Kritik an der christlichen Glaubenslehre bzw. an der idealisierenden Auslegung der Offenbarung<br />

ist nicht neu, erstaunlich ist das schweigende Übergehen dieser Themen. Auch Küng ist auf<br />

diese fundamentale Kritik nicht eingegangen, ebenso wenig wie auf die neueren religionskritischen<br />

Bücher bedeutender atheistischer Autoren wie Hans Albert oder John Macke. 12<br />

Unter dem polemischen Titel Der Fluch des Christentums. Die sieben Geburtsfehler einer alt gewordenen<br />

Weltreligion. Eine kulturelle Bilanz nach zweitausend Jahren hat der Berliner Philosoph Herbert<br />

Schädeldach eine Aufsatzserie verfasst. 13 Seine Urteile können betroffen machen und Widerspruch<br />

provozieren. Sie sind im Kern nicht neu und sie müssen zugemutet werden können, auch um<br />

den eigenen Standpunkt zu klären. Die sieben Thesen beziehen sich auf:<br />

– die Lehre von der Erbsünde, die menschenverachtend ist, da sie den Menschen für prinzipiell verderbt<br />

erklärt, notorisch unfähig zum Guten, es liegt weitab von einer humanistischen Sicht, nur für<br />

die selbst begangenen Taten verantwortlich zu sein;<br />

– die Rechtfertigung als blutiger Rechtshandel, da die Erlösung von der Erbsünde durch ein unbegreifliches<br />

Ritual an einem Stellvertreter, der zugleich Sohn ist, vollzogen wird und zur eigenen Rettung<br />

geglaubt werden muss;<br />

– den Missionsbefehl, der zugleich ein Toleranzverbot und die Ermächtigung zur Zwangsbekehrung<br />

und zum christlichen Kulturimperialismus ist;<br />

– den christlichen Antijudaismus, der von unzähligen Pogromen bis zum antisemitischen Rassenwahn<br />

ohne das Christentum nicht in dieser Weise denkbar ist;

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!