Menschenbilder - Jochen Fahrenberg
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209 <strong>Menschenbilder</strong>: Psychologische, biologische, interkulturelle und religiöse Ansichten ( J. <strong>Fahrenberg</strong>, 2007)<br />
und des Islam begrifflich zu fassen, scheint theologisch aussichtslos zu sein. Solche Deutungen enden<br />
spätestens an der Grenze der monotheistischen zu den polytheistischen oder den atheistischen Religionen.<br />
In einer instruktiven und für Gläubige auch bedenklichen Weise wird dieser Pluralismus in einer<br />
Datenbank deutlich. Sie enthält Informationen über mehr als 2.000 Götter in aller Welt, also einen<br />
riesigen Götterhimmel (Pantheon) der Menschheit. Andere Autoren nennen allein für die USA 1.300<br />
verschiedene religiöse Gruppen, Konfessionen und Sekten. Von Einheit in dieser Mannigfaltigkeit zu<br />
sprechen, wäre absurd. 6<br />
Unabhängige Religionswissenschaft und kirchliche Religionstheologie befassen sich auf verschiedene<br />
Weise mit diesem Grundwiderspruch zwischen dem faktischen Religionspluralismus und<br />
dem absoluten Wahrheitsanspruch der monotheistischen Religion. Gibt es überhaupt einen gemeinsamen<br />
Grund aller Religionen: die Gemeinsamkeiten aller Erlösungsreligionen oder die Attribute des<br />
allmächtigen und allgütigen Gottes? Oder bilden die Transzendenzerfahrung im religiösen Gefühl, die<br />
Spiritualität und das Erleben des Göttlich-Heiligen den Urgrund der Religion und deswegen auch die<br />
gemeinsame Basis für den Dialog der Religionen? 7<br />
Die Mystik gilt als ein Weg, im religiösen Leben eine tiefere Identität zu erfahren. So entwarf<br />
auch Drewermann in seiner Anthropologie die Auffassung, dass die Gemeinsamkeit der religiösen<br />
Bezüge nicht an der Oberfläche der kirchlichen Dogmen und Institutionen gegeben sei, sondern in der<br />
religiös bestimmten Lebensweise und in der Tiefe der Mystik bestünde. Religion wäre dann das Resultat<br />
mystischer Einheitserfahrungen, von Einheit in der Vielheit. Meister Eckhart, der große, von der<br />
Inquisition verfolgte Mystiker des 13. Jahrhunderts, und ein japanischer Zen-Meister könnten über<br />
Gott und über die absolute Leere (Sunyata) zu fast wörtlich ähnlichen Aussagen gelangen, jedoch mit<br />
den unterschiedlichen gedanklichen Assoziationen ihres Lebens- und Kulturzusammenhanges. Mystische<br />
Erfahrungen weisen über Abgrenzungen hinaus, umgreifen den Anderen, ohne dass die eigene<br />
Identität bedroht würde. 8<br />
Interkonfessioneller Dialog<br />
Den 1.118 Millionen Mitgliedern der Römisch-Katholischen Kirche stehen eine etwa gleich große<br />
Zahl anderer Christen gegenüber: ca. 375 Millionen der Protestantischen Kirchen, 427 Millionen der<br />
Unabhängigen Christlichen Kirchen, 219 Millionen der Orthodoxen Kirchen und 79 Millionen Anglikanische<br />
Christen. (Kapitel 17) Dem Weltkirchenrat gehören weltweit ca. 500 organisatorisch selbständige<br />
Organisationen mit christlichem Bekenntnis an. Die römisch-katholische Kirche hat die Gemeinschaften<br />
der Lutheraner, Anglikaner u.a. Protestanten nie als Kirche anerkannt, sondern nur als kirchliche<br />
Gemeinschaften, die nicht in der apostolischen Tradition stünden. Ungeachtet des langen interkonfessionellen<br />
Dialogs besteht weiterhin, wie auch Benedikt XVI. im Jahr 2007 bekräftigen ließ, der Anspruch,<br />
die einzige wahre Kirche zu sein. Allerdings ständen die getauften Mitglieder anderer Kirchen in gewisser,<br />
wenn auch nicht vollkommener Gemeinschaft mit der Kirche. Demnach wäre eine Einheit wahrscheinlich<br />
nur durch Rückkehr zur Mutterkirche und Unterordnung zu erreichen. Der Vorsitzende der<br />
Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Lehmann, verteidigte in einem Interview die Erklärung „Dominus<br />
Iesus“ als längst überfällig. Er mache zuweilen „falsche Höflichkeiten im ökumenischen Gespräch<br />
und Miteinander“ aus. „Ökumenische Euphorie“, die das Trennende in seinen tieferen Gründen übersehe,<br />
sei kein guter Weg.<br />
Die Repräsentanten der anderen Kirchen und ihrer Weltverbände wiesen diesen Ausschließlichkeitsanspruch<br />
der römischen Kirche zurück und bedauerten, dass der ökumenische Dialog offensichtlich<br />
keine Berücksichtigung gefunden habe. Das Dekret „Dominus Iesus“ werfe die ökumenischen<br />
Bemühungen um 40 Jahre zurück. 9 Einige der anscheinend unlösbaren Konflikte wurden bereits genannt:<br />
gemeinsames Abendmahl, Kirchenautorität, Klerus, Scheitern einer gemeinsamen neuen Bibelübersetzung.<br />
Die ökumenischen Hoffnungen auf eine grundsätzliche, d.h. vor allem theologische Annäherung<br />
haben sich weitgehend als Illusionen erwiesen.<br />
Interreligiöser Dialog<br />
Die „Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nicht-christlichen Religionen“ (Nostra aetate)<br />
sah das Verbindende der Religionen in den gleichen Existenzfragen: „Was ist der Mensch? Was ist<br />
Sinn und Ziel unseres Lebens? Was ist das Gute, was die Sünde? Woher kommt das Leid und welchen