30.12.2012 Aufrufe

Menschenbilder - Jochen Fahrenberg

Menschenbilder - Jochen Fahrenberg

Menschenbilder - Jochen Fahrenberg

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

114 <strong>Menschenbilder</strong>: Psychologische, biologische, interkulturelle und religiöse Ansichten ( J. <strong>Fahrenberg</strong>, 2007)<br />

Befreiung zum Frieden, die in den Alltag übersetzt werden muss, so dass nach 2000 Jahren Christentum<br />

eine Befreiung vom scheinbar unüberwindbaren Zwang zu Gewalt und Krieg tatsächlich möglich<br />

werde. Der Glauben soll frei sein von Triebunterdrückung, Dämonenglauben, Autoritätshörigkeit oder<br />

Meinungskonformität und soll sich vielmehr in Freiheit und Eigenverantwortung mit Nachdenken und<br />

Zweifeln entwickeln. Religion sei gelebte Menschlichkeit.<br />

„Wenn es nicht länger mehr angeht, Gott in dem Weltenplan seiner ‘Vorsehung’ zu erkennen, weil es<br />

nach allem, was wir auch nur von der Herkunft des Menschen selbst heute wissen können, einen solchen<br />

zeitübergreifenden Plan durchaus ‘nicht gibt’, ist es dann nicht um so mehr erforderlich, Gott zu<br />

suchen in der Unableitbarkeit des Augenblicks?<br />

Eine Mystik der Leere, eine Mystik der Liebe und eine Mystik des Augenblicks – sie könnte ersetzen,<br />

was die Theologie bisher als die ‘unendliche Macht’, als die ‘unendliche Güte’ und als die<br />

‘unendliche Weisheit’ über die Gottheit vermeinte denken und dozieren zu müssen.“ (Glauben in Freiheit,<br />

1998). 8<br />

Seine Überzeugung von der Einheit der Menschen, der Kulturen und Religionen – ohne Abgrenzung<br />

der wahren Kirche oder ihrer besonderen auf Offenbarung gestützten Heilswahrheit – geht über die<br />

offizielle Lehre hinaus. Er erhofft sich die Antwort auf die religiöse Sinnentleerung von der Erfahrung<br />

der Mystik, auf einem spirituellen Weg. Drewermanns konsequenter Weg der Verinnerlichung und der<br />

Anthropologisierung der Religion lenkt aus der Kirche hinaus in eine nachkirchliche Religiosität der<br />

Menschen.<br />

Dass die Wiederentdeckung der Mystik nicht unbedingt völlig aus der Kirche herausführen muss,<br />

zeigt das Schicksal des Benediktinermönchs Willigis Jäger, der sechs Jahre in einem buddhistischen<br />

Kloster lebte. Er sieht im Zen eine Grundstruktur, die in alle Religionen einzubringen sei, denn Gott<br />

sei in allen Religionen derselbe. Allerdings erhielt dieser Zen-Meister in Unterfranken im Jahr 2002<br />

ein kirchliches Redeverbot.<br />

Reform oder Bewahrung?<br />

Für einen anderen Weg entschied sich der Theologe Hans Küng. Seine Hoffnungen auf grundlegende<br />

Reformen waren während des zweiten Vatikanischen Konzils zutiefst enttäuscht worden. Deshalb<br />

versucht er durch seine theologischen Schriften Einfluss zu nehmen. Er engagierte sich im Weltparlament<br />

der Religionen und bei der Verbreitung der Idee eines Weltethos (Kapitel 19). Küng forderte<br />

vom Vatikan bzw. vom Konzil die Revision bestimmter dogmatischer Positionen und kritisierte das<br />

Kirchenamt und die Kirchenautorität, die auch gegenüber bekannten katholischen Theologie-<br />

Professoren sehr streng gehandhabt wird. Trotz der z.T. einschneidenden Kritik hält er an fundamentalen<br />

Überzeugungen fest: so auch am Gehorsam gegenüber der Wahrheit Gottes, an der Lehre von<br />

Schöpfung, Heilsplan, Sonderstellung des Menschen, Letztbegründung der Moral durch Gott, an der<br />

Verteidigung des Glaubens gegen Atheisten, denn außerhalb der Kirche sieht er, trotz der „nichtchristlichen<br />

Humanismen“ kein Heil (extra ecclesiam nulla salus). In seinem Buch Christ sein erklärt<br />

er eingehend, dass der Glaube an Jesus und das Kreuz sowie die Auferweckung, d.h. die Verkörperung<br />

einer neuen Lebenseinstellung und Zielbestimmung, für das Leben eines Christen entscheidend sind.<br />

Für den Theologen Küng sind die Fragen Kants nach dem Wissen, Tun und Hoffen des Menschen<br />

durch den Gottesbezug beantwortet. Durch diese christliche Anthropologie werden zwar die Detailfragen<br />

nicht überflüssig, die Antworten bleiben letztlich immer durch die fundamentale Wahrheit der<br />

Christologie und die persönliche Glaubensgewissheit bestimmt. 9<br />

Küng setzt sich für eine moderne theologische Sicht ein und will überkonfessionell und bibelkritisch<br />

den Kern der christlichen Lehre aufzeigen. Dies verlangt eine Entmythologisierung und die Anpassung<br />

an heutiges Wissen in Kosmologie, Anthropologie, Evolution, statt wörtlicher Auslegung.<br />

Der Horizont erweitert sich über das Christentum auf die anderen Weltreligionen, in denen ebenfalls<br />

Heilswege erkannt werden. Küng bleibt von der Überzeugung durchdrungen, dass die christliche Lehre<br />

weit überlegen sei, d.h. durch Jesus eine von den anderen Religionen nicht erreichte Theologie und<br />

Freiheit gewonnen habe. Die strikte Ausschließlichkeit des christlichen Wahrheitsanspruchs ist aufgegeben,<br />

sogar der Atheismus wird als mögliche Position ernst genommen. Hier zeigt sich eine in der<br />

traditionellen Theologie ungewöhnliche Bereitschaft zum Perspektiven-Wechsel. Küng klärt auf, kriti-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!