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Menschenbilder - Jochen Fahrenberg

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216 <strong>Menschenbilder</strong>: Psychologische, biologische, interkulturelle und religiöse Ansichten ( J. <strong>Fahrenberg</strong>, 2007)<br />

ihr ferner wie die Quäker, Mormonen und Anhänger der Christlichen Wissenschaft. 16 Eine große Gemeinschaft<br />

bilden auch die Zeugen Jehovas.<br />

Realistische Schätzungen, wie viele Menschen sich zu Sekten bekennen, sind mangels geeigneter<br />

Methoden und Abgrenzungen nicht möglich, vermutlich sind es weltweit Dutzende bis Hunderte von<br />

Millionen. Aus denselben Gründen sind die Zahlen von ca. 800.000 oder sogar 1,5 bis 2,5 Millionen<br />

Mitgliedern deutscher „Psychosekten“ oder von ca. 300 religiösen Gemeinschaften sehr zweifelhaft.<br />

Die Glaubens- und Religionsfreiheit schützt diese Bekenntnisse und deren Mission wie andere auch.<br />

Problematisch sind dagegen die Folgen einer extremen psychischen Abhängigkeit und extreme Formen<br />

der Gewalt, insbesondere selbst-zerstörerische Handlungen und Massentötungen, die inmitten<br />

unserer Gesellschaft als fanatische religiöse Verirrungen auftreten. Ein breites Erschrecken lösten die<br />

Szenen des Sektenwahns aus:<br />

die Volkstempel-Sekte von Jim Jones, von denen sich 1978 ca. 900 Anhänger in Guayana töteten oder<br />

töten ließen;<br />

die Davidianer mit 85 Toten 1993 in Waco (Texas);<br />

der Sonnentempler-Orden Luc Joret mit 74 Toten 1994 in Quebec und in der Schweiz;<br />

die Aum Shinri Kyo (Shoko Asahara), die den Weltuntergang ankündigte, den Giftgasanschlag 1995 in<br />

der U-Bahn Tokios allerdings gegen Nicht-Mitglieder richtete und damit einen der Eckpunkte des<br />

heutigen, religiös gerechtfertigten Terrorismus bildete.<br />

Zu den größten Glaubensgemeinschaften und Sekten gehören:<br />

die Scientology-Bewegung von Ron Hubbard, der geistige Gesundheit und wirtschaftlichen Erfolg<br />

versprach;<br />

die Mun-Sekte des Koreaners Sun Myung Mun, eine Jugendsekte, eine „Gemeinschaft vom Heiligen<br />

Geist“, die eine neue reine Menschheit und göttliche Vollkommenheit in Aussicht stellt;<br />

Transzendentale Meditation TM des Maharishi Mahesh Yogi, eine Meditationsbewegung, die eine<br />

spirituelle Entwicklung und moralische Erneuerung lehrte (und angeblich auch das Fliegen im Lotussitz);<br />

Bhagwan Shree Rajneesh (später Osho) in den USA und im indischen Poona als Inbegriff einer auf die<br />

Person des Guru bezogenen Verehrung und Sektenhierarchie mit einer eigenen Kombination von meditativer<br />

Selbsterkenntnis, Lebensänderung, Tantrismus sowie einem speziellen Wirtschaftssystem;<br />

Universelles Leben der Würzburger Prophetin Gabriele Wittek mit einer eigenen Schöpfungslehre und<br />

Offenbarung, geistigen Heilungen, Entwicklung zu einem Geistwesen und zum Christus-Staat;<br />

Fiat Lux Bewegung der Geistheilerin Uriella (Erika Bertschinger-Eicke), deren Heilpraktikerin-<br />

Erlaubnis gerichtlich zurückgenommen wurde, mit ihrem durch göttliche Strahlen präparierten Wasser;<br />

Holistisches Zentrum Isis der Hamburger Psychologin Dr. Heide Fittkau-Garthe, die anscheinend auf<br />

Teneriffa 1998 einen Massenselbstmord von 32 Personen mit anschließender Ufo-Reise zum Sirius<br />

geplant oder phantasiert hat, doch letztlich nicht verurteilt wurde;<br />

Falun Gong Sekte von Li Hongzhi, mit traditionellen Atem- und Bewegungsübungen Qigong und mit<br />

dem Training von übernatürlichen Fähigkeiten und Wunderheilungen durch magische Praktiken;<br />

Satanismus-Gruppen wie Temple of Set, First Church of Satan, Lucifer Duo Delta, die sich u.a. mit<br />

schwarzen Messen und Horrorritualen befassen.<br />

Bei aller aufgeklärten Kritik bleibt der kulturelle Kontext zu bedenken: die Hare Krishna Sekte mutet<br />

im Westen durch ihre Missionstätigkeit fremd an, in Indien wäre sie das nicht. Die Schamanen hatten<br />

in Sibirien und unter den amerikanischen Indios eine wichtige Rolle bei der Einschätzung des Jagdglücks,<br />

als Wahrsager und Medizinmänner. In westlichen Therapiezentren wirken sie so deplatziert<br />

wie Voodoo-Priesterinnen oder Hexenphantasien. 17<br />

Das typische Menschenbild des Esoterikers wird sich tendenziell vom Menschenbild des alltäglichen<br />

Gläubigen durch eine bewusste und stärkere spirituelle Ausrichtung unterscheiden. Dazu gehören<br />

vielleicht die Überzeugung, geistig und durch moralische Konsequenz überlegen zu sein, sowie einer<br />

wichtigen Bezugsgruppe anzugehören und deren Forderungen zu entsprechen. Diese Überzeugungen

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