Menschenbilder - Jochen Fahrenberg
Menschenbilder - Jochen Fahrenberg
Menschenbilder - Jochen Fahrenberg
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
51 <strong>Menschenbilder</strong>: Psychologische, biologische, interkulturelle und religiöse Ansichten ( J. <strong>Fahrenberg</strong>, 2007)<br />
zwei Ausnahmen sind hervorzuheben: Fromms ausführliche Diskussion der grundlegenden anthropologischen<br />
Thesen Freuds sowie die auf Skinners Initiative zurückgehende öffentliche Debatte zwischen<br />
ihm und Rogers.<br />
Skinner ragt wegen der romanhaften Ausgestaltung seiner Ideen über Erziehungsreform und<br />
menschlicheres Zusammenleben hervor. Es gibt in der Geschichte der Psychologie kein vergleichbares<br />
Beispiel, dass die Leser eines Buches dessen utopische Vorbild für ihr eigenes Leben übernahmen und<br />
Gemeinschaften gründeten. Die anderen Autoren haben nicht versucht, ihre <strong>Menschenbilder</strong> so anschaulich<br />
und so vorbildlich zu machen wie Skinner in seinem Roman. Krankengeschichten können<br />
sehr bewegend sein, und Erörterungen von Therapiezielen werden viele Aufschlüsse über <strong>Menschenbilder</strong><br />
geben, doch als Entwurf einer künftigen Welt taugen sie kaum. Welche Themen und Hoffnungen<br />
hätten Freud, Fromm und die anderen Autoren für einen pädagogischen Roman ausgewählt? Nur<br />
spekulativ können wir uns ausmalen, was solche Utopien bewirkt hätten.<br />
Abgesehen von den meist sehr allgemein gehaltenen optimistischen oder pessimistischen Blicken<br />
auf die Zukunft des Menschen haben diese Autoren kaum Prognosen versucht. Können wir uns vorstellen,<br />
dass sich die Themen der Psychologischen Anthropologie grundsätzlich ändern? Werden sich<br />
in den kommenden Generationen neue Ideen über den Menschen ergeben oder ist bereits alles Wichtige<br />
gesagt, was den Menschen ausmacht?<br />
Religiöses Bekenntnis<br />
Abgesehen von Freud, Fromm und Skinner hatten die meisten dieser Autoren eine auffällige Scheu,<br />
sich prägnant zu ihrer Religion zu äußern. Gewöhnlich gilt die religiöse, wie auch die politische Einstellung,<br />
als Privatbereich. Im wissenschaftlichen Alltag interessiert sich niemand für solche Konfessionen.<br />
Doch die Philosophische und die Psychologische Anthropologie bilden verständlicherweise<br />
Ausnahmen (siehe biographische Anmerkungen im Anhang).<br />
Wenn Autoren wie Frankl das Wesen des Menschen mit subjektiver Gewissheit definieren, jedoch<br />
über ihre eigenen, letzten Überzeugungen schweigen, müssen kritische Leser aufmerksam werden.<br />
So haben sich die Biographen dieser Autoren in der Regel bemüßigt gefühlt, diese weltanschauliche<br />
Fragen nach dem letzten Grund des Seins zu stellen und die „Gretchenfrage“ an Faust „Nun sag:<br />
Wie hast du’s mit der Religion?“ zuzuspitzen. Meist ging es wohl um diese neugierige Frage, ob der<br />
betreffende Autor mehr oder weniger auf dem Boden des Christentums oder der jüdischen Religion<br />
stand. Eine Auskunft über ihr religiöses Bekenntnis war Autoren wie etwa Frankl, Jung und Rogers<br />
aus ihrer Sicht wahrscheinlich verhältnismäßig unwichtig, denn sie stellten ihr Menschenbild ja nicht<br />
direkt als Auslegung einer Theologie dar. Sich so zurückzuhalten, kann als eine Abschirmung verstanden<br />
werden und als ein möglicher Grund, sich nicht im Detail mit den <strong>Menschenbilder</strong>n und Postulaten<br />
der anderen Autoren auseinander zu setzen (wiederum bilden Freud und die gemeinsame Kritik an<br />
ihm eine auffällige Ausnahme).<br />
Für das Verständnis und die Einordnung der Argumente in den ideengeschichtlichen Kontext ist<br />
dieses Wissen aber unverzichtbar. Die typischen Antworten werden davon mitbestimmt sein, ob ein<br />
Agnostiker, Atheist, Theist, ein jüdischer Gelehrter oder ein protestantischer bzw. ein römischkatholischer<br />
Christ auf der Basis des Katechismus schreibt. In seinem Buch Der Gott der Philosophen<br />
hat Wilhelm Weischedel ideengeschichtlich ausführlich dargestellt, wie die großen Philosophen ihr<br />
Denken im Bezug auf zentrale Inhalte des christlichen Dogmas entwickelten, wie sie sich mit dem<br />
Gottesproblem und den Gottesbeweisen auseinander setzten, und sich mit der Rechtfertigung Gottes<br />
angesichts des Bösen in der Welt geradezu quälten (Kapitel 18). Aus dieser Sicht folgt, dass jegliches<br />
philosophische Denken über den Menschen vor dem Hintergrund des religiösen Glaubens bzw. des<br />
Atheismus oder Agnostizismus interpretiert werden muss. Es liegt nahe, dass von philosophischer<br />
Seite solche Interpretationsversuche, ebenso wie die Verknüpfung mit der Biographie des Autors, als<br />
psychologistisch angesehen werden.<br />
Breitenwirkung<br />
Alle ausgewählten Autoren hatten und haben eine außerordentliche Breitenwirkung. Ihre Bücher wurden<br />
so oft gekauft wie sonst nur Romane; ihre Hauptwerke sind in viele Sprachen übersetzte Bestseller.<br />
Durch die Bücher und Vortragsreisen sowie durch entsprechende Aktivitäten ihrer Schüler sind<br />
zweifellos bei weitem mehr Menschen direkt erreicht worden als durch die Bücher der allermeisten