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Menschenbilder - Jochen Fahrenberg

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58 <strong>Menschenbilder</strong>: Psychologische, biologische, interkulturelle und religiöse Ansichten ( J. <strong>Fahrenberg</strong>, 2007)<br />

Implizite Anthropologie enthält die gesamte vom Individuum gesammelte und deshalb einzigartige<br />

Lebenserfahrung. Sie bildet den Bezugsrahmen, um sich zu orientieren, andere Menschen einzuordnen,<br />

Probleme zu lösen und das Leben zu bewältigen. Im Unterschied hierzu ist mit implizitem Persönlichkeitskonzept<br />

meist kein zusammenhängendes Menschenbild gemeint, sondern nur die alltägliche<br />

Erwartung, welche psychologischen Eigenschaften in typischer Weise zusammengehören und<br />

welche nicht.<br />

Selbstkonzepte sind alle auf die eigene Person bezogenen Einstellungen bzw. Beurteilungen.<br />

Person-Wahrnehmung als Wiedererkennen vertrauter und als Unterscheidung fremder Menschen hat<br />

eine wichtige soziale Funktion. Der Prozess der Person-Wahrnehmung enthält über diese äußerliche<br />

Unterscheidung hinaus oft bereits psychologische Schlussfolgerungen und Bewertungen. 4 .<br />

Menschenbild bezeichnet ein außerordentlich umfangreiches und schwer zu fassendes Gebiet. Dennoch<br />

ist Menschenbild kein Allbegriff. Es gibt den Unterschied zwischen den einzelnen Annahmen<br />

des Menschenbildes und den Hypothesen der wissenschaftlichen Persönlichkeitsforschung, obwohl ein<br />

enger wechselseitiger Bezug nicht übersehen werden darf. Im Unterschied zu vielen anderen Einstellungen<br />

und Interessen beziehen sich die Annahmen, auf die es hier ankommt, nicht auf Tätigkeiten,<br />

Sachverhalte, Ereignisse oder Objekte, sondern direkt auf den Menschen (Selbstbild und Fremdbild).<br />

In praktischer Hinsicht wird hier vor allem die Stärke und Gewissheit der Überzeugung als wichtiges<br />

Unterscheidungskriterium gegenüber anderen Einstellungen angesehen.<br />

Diese Zusammenstellung beschreibender Begriffe zeigt, dass <strong>Menschenbilder</strong> vielgliedrig und<br />

beziehungsreich sind, sie werden deswegen als multi-referenzielle Konstruktionen bezeichnet. Dem<br />

nahe liegenden Einwand, dass die meisten Menschen nicht so differenzierte Unterscheidungen treffen<br />

werden, kann aufgrund der Arbeiten über die Alltagspsychologie widersprochen werden. Die subjektiven<br />

Theorien sind z.T. mit Zusatzannahmen und mit Kausal-Deutungen (im Unterschied zu wissenschaftlichen<br />

Kausal-Erklärungen) ähnlich geformt wie die aus der Fachwissenschaft stammenden. Sie<br />

sind jedoch oft unterschwellig und nicht ausformuliert, so dass sie erst durch geeignete Methoden<br />

erkundet werden müssen.<br />

Die Methoden zur Erfassung des Menschenbildes unterscheiden sich in vieler Hinsicht, u.a. im<br />

Aufwand an Zeit und Training, in der Anwendbarkeit im Einzelfall oder in großen Untersuchungen, in<br />

der Zuverlässigkeit und empirischen Gültigkeit der Ergebnisse. Zur gründlichen Beschreibung des<br />

Selbstbildes einer Person sowie der Fremdbilder wird eine Kombination aus dem frei erzählenden,<br />

narrativen Gespräch und dem genau vorbereiteten psychologischen Forschungsinterview geeignet<br />

sein. Dagegen sind größere Personengruppen nur mit Fragebogen zu untersuchen. 5<br />

Eigenschaften, Motive, Einstellungen, Werthaltungen, Selbstkonzepte und Überzeugungen<br />

Die psychologischen Theorien der Persönlichkeit befassen sich vor allem mit den überdauernden Eigenschaften<br />

des Menschen. So gibt es individuelle Unterschiede in bestimmten Fähigkeiten und in der<br />

allgemeinen Intelligenz, in der emotionalen Stabilität, in der Geselligkeit und Impulsivität einer Person,<br />

in Lebenszufriedenheit, Selbstvertrauen, Aggressivität und in vielen anderen Eigenschaften. Große<br />

theoretische Differenzen bestehen in den Erklärungsversuchen, wie sich diese Persönlichkeitsunterschiede<br />

entwickelt haben und wie die bestehenden Unterschiede am besten zu beschreiben, zu erklären<br />

und zu verstehen sind.<br />

Entsprechend uneinheitlich sind die psychologischen Theorien der Motivation, es mangelt an einer<br />

umfassenden Systematik. Zumindest können die elementaren biologischen Bedürfnisse den psychosozialen<br />

Motiven und den persönlichen Orientierungen gegenübergestellt werden. Zu den letzteren<br />

gehören die sozialen Einstellungen, die Werturteile, was für jemanden positiv und wichtig bzw. unwichtig<br />

ist, die persönlichen Ziele, was jemand erreichen möchte, und die Überzeugungen, was geglaubt<br />

wird. 6 .<br />

Für das Menschenbild, das jemand von sich und von anderen Menschen bzw. von den Menschen<br />

im Allgemeinen, entwickelt, sind diese verschiedenen Formen und Ebenen der Orientierung wichtig,<br />

ohne dass sie leicht voneinander abgegrenzt werden können. Natürlich hängen Werthaltungen mit den<br />

Lebenszielen und die Einstellungen mit Überzeugungen zusammen. Es sind Aspekte und Facetten des<br />

Menschenbildes.

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