Menschenbilder - Jochen Fahrenberg
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65 <strong>Menschenbilder</strong>: Psychologische, biologische, interkulturelle und religiöse Ansichten ( J. <strong>Fahrenberg</strong>, 2007)<br />
Illustrative Beispiele solcher Diskrepanzen sind: das Auseinanderfallen von zusammengehörig<br />
erscheinenden Eigenschaftsfacetten wie bei der Ordentlichkeit in verschiedenen Bereichen, die<br />
„Dummheiten“ der Schlauen, die Unbedachtheiten und grandiosen Fehlentscheidungen der ökonomisch-rationalen<br />
Manager, die Inkonsequenzen im Verhalten von Politikern, die unintelligente Fehleinschätzung,<br />
Korruption zuverlässig verheimlichen zu können, impulsive Entgleisungen von im<br />
Rampenlicht der Öffentlichkeit Stehenden, die Scheinheiligkeit selber nicht gelebter moralischer Appelle<br />
(„Wasser predigen und selber Wein trinken“), die Rechtfertigung von totalitärer Glaubensherrschaft,<br />
Gewalt und Genozid durch eine „höhere“ als die menschliche Moral („Krieg im Namen des<br />
barmherzigen Gottes“). Viele dieser Stichworte beziehen sich auf Fehlurteile und moralische Unzulänglichkeiten.<br />
Sehr auffällige Untersuchungsergebnisse sind aus ganz anderen Bereichen, etwa der<br />
Medizin, zu berichten. Keine oder nur geringe systematische Zusammenhänge bestehen zwischen den<br />
geäußerten subjektiven Beschwerden und den objektiv nachweisbaren Befunden, insbesondere bei<br />
einigen der chronischen Krankheiten, die bei vielen Patienten „stumm“ bleiben und bei anderen zu<br />
dringenden Arztbesuchen führen. So gibt es „kranke Gesunde“ und „gesunde Kranke“ 13<br />
Persönlichkeitstheorien<br />
In den Lehrbüchern der Psychologie ist eine nicht geringe Anzahl von Persönlichkeitstheorien zu finden.<br />
Eine gängige Einteilung unterscheidet zwischen den jeweils maßgeblichen Orientierungen bzw.<br />
Richtungen der Psychologie, die bereits an den bevorzugten Methoden zu erkennen sind: Persönlichkeitstheorien<br />
auf der Basis der Psychoanalyse, Theorien, die sich primär auf das Selbst, das subjektive,<br />
phänomenale Sein des Menschen beziehen, biographisch orientierte Ansätze, die den Menschen in<br />
seinem persönlichen Sinn- und Wertbezug erfassen wollen, lerntheoretisch fundierte Theorien, neurobiologisch<br />
orientierte Theorien usw. Die Eigenschaftstheorien bilden eine wichtige Grundlage fast<br />
aller anderen, denn sie zielen zunächst auf die methodische Beschreibung und Strukturierung der Vielfalt<br />
individueller Differenzen in Begriffen von relativ überdauernden Eigenschaften, z.B. der Intelligenz<br />
oder des Temperaments. Darüber hinaus sind verschiedenartige Ansätze und Richtungen zu nennen,<br />
die in empirisch-methodischer Hinsicht weniger ausgearbeitet sind, u.a. systemtheoretische Konzepte,<br />
verschiedene Subjektmodelle (Norbert Groeben), kommunikativ-handlungstheoretische Ansätze<br />
(Jürgen Habermas) und andere sozialwissenschaftliche Richtungen oder moderne Abwandlungen älterer<br />
Ansätze wie die „Positive Psychologie“.<br />
Zwischen den Persönlichkeitstheorien gibt es zwar einige Vermittlungsversuche und Brückenschläge,<br />
doch ist eine zusammenfassende, integrative Theorie, welche die verschiedenen Perspektiven<br />
vereint, nicht in Sicht. Angesichts der grundlegend verschiedenen theoretischen Voraussetzungen ist<br />
dies auch kaum zu erwarten, selbst wenn oberflächlich Übereinstimmungen bestehen. Größte Unterschiede<br />
bestehen in der ausgewählten Methodik, in den zentralen Begriffen und in den typischen Zielsetzungen,<br />
z.B. hinsichtlich bestimmter Anwendungsfelder. Dieser Persönlichkeitstheorien sind nicht<br />
wie naturwissenschaftliche Theorien durch die sehr genaue und konvergente Beschreibung von Sachverhalten,<br />
exakte Begriffsdefinitionen, präzise ausgearbeitete Systeme von theoretischen Aussagen<br />
und abgeleiteten, empirisch überprüfbaren Hypothesen entstanden. Das System Persönlichkeit ist außerordentlich<br />
viel komplizierter, so dass Theorie hier nur so viel wie vorläufiger Entwurf heißen kann,<br />
d.h. eines unter mehreren möglichen Forschungsprogrammen. In diesen Persönlichkeitstheorien drücken<br />
sich auch bestimmte wissenschaftsmethodische u.a. andere Überzeugungen der Autoren aus,<br />
doch bleiben die philosophischen Aspekte dieser <strong>Menschenbilder</strong> meist verborgen. Fundamentale<br />
Fragen der Anthropologie, Sinnfragen, Religionspsychologie und ähnliche Themen tauchen – wie<br />
erwähnt – fast nie auf.<br />
Wissenschaftlichkeit der empirischen Psychologie<br />
Die empirische Psychologie verwendet ganz überwiegend Daten, die aus den subjektiven Auskünften<br />
und den Selbsteinstufungen in Interviews und Fragebogen stammen, d.h. grundsätzlich nicht von anderen<br />
Beobachtern überprüft werden können. Es sind also nur subjektive Repräsentationen von Einstellungen<br />
und Verhaltensweisen und sie sollten nur in diesem Sinne interpretiert werden. Erst auf der<br />
Ebene der theoretischen Aussagen, nicht auf der Ebene der zugrunde liegenden Daten, können die<br />
Strategien der intersubjektiven wissenschaftlichen Kontrolle und Hypothesenprüfung einsetzen. Folglich<br />
ist auch die Psychologie nur in einem sehr weitgefassten Sinn eine „empirische“ Disziplin. Einen