Menschenbilder - Jochen Fahrenberg
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62 <strong>Menschenbilder</strong>: Psychologische, biologische, interkulturelle und religiöse Ansichten ( J. <strong>Fahrenberg</strong>, 2007)<br />
re Studien nennen Gegenbeispiele für ein verbreitetes, freundlich entgegenkommendes Verhalten.<br />
Allgemein sind soziale Begrüßungsrituale zu beobachten.<br />
Derart universale Verhaltensweisen lassen vermuten, dass trotz der speziellen kulturellen Ausdrucksformen<br />
auch biologische Ursprünge existieren. Wie stark und wie lange sich Kinder an ihre<br />
Mutter oder andere Bezugsperson binden und wann sie sich selbstsicher, ohne viel Ängste, zu trennen<br />
vermögen, variiert sehr. Kinder „fremdeln“ etwa zwischen dem 6. und dem 36. Monat, allerdings in<br />
sehr unterschiedlichem Ausmaß. In diesem Alter entstehen das Ich-Konzept und die Tendenz, sich von<br />
der Mutter abzugrenzen und eigenen Willen zu zeigen. Zugleich bilden sich das Vertrauen in die familiären<br />
Bezugspersonen und neben Sympathien auch Antipathien aus. Aus diesen Differenzierungen<br />
können die Schemata von Zugehörigkeit und Fremdheit entstehen. Soziobiologisch kann argumentiert<br />
werden, dass eine vorsichtige bis misstrauische Haltung gegenüber Fremden durchaus Überlebensvorteile<br />
haben wird. Gegenläufige Motive wären die allgemein-menschliche Neugier, die möglichen positiven<br />
Folgen des Kontakts und die ebenfalls natürliche Bereitschaft, Zuwendung und Vertrauen auf<br />
andere zu erweitern, falls keine Gefahr droht.<br />
Soziale Axiome<br />
Soziale Axiome werden solche Orientierungen genannt, die für eine Person grundlegend gültig sind –<br />
wie mathematische Axiome – und das Verhalten in vielen Situationen leiten. Im Unterschied zu Werteinstellungen<br />
enthalten Soziale Axiome keine Aussagen, ob eine Verhaltensweise wünschenswert oder<br />
zu vermeiden ist, sondern nur Erwartungen über Zusammenhänge von Sachverhalten in der Welt bzw.<br />
im Leben. Da Menschen mit vergleichbaren Problemlagen konfrontiert sind, werden sie ähnliche Einstellungen<br />
entwickeln, wie solche Situationen zu bewältigen sind. Diese Sozialen Axiome helfen den<br />
Einzelnen, sich in ihrer Umwelt zu orientieren und sich ihrer Wertorientierung gemäß zu verhalten.<br />
Eine internationale Forschergruppe hat einen Fragebogen entwickelt und aufgrund einer interkulturellen<br />
Untersuchung fünf übergreifende Perspektiven unterschieden. Aus jeder Skala werden hier<br />
zwei typische Sätze zitiert (in abgestufter Weise zu beantworten: glaube ich voll und ganz .... glaube<br />
ich keinesfalls):<br />
Sozialer Zynismus (geringes Vertrauen in andere Menschen, Politiker u.a.)<br />
Menschen mit Macht neigen dazu, andere auszunutzen.<br />
Durch Macht und Ansehen werden Menschen arrogant.<br />
Erwartung von Lohn für Anstrengungen<br />
Gute Taten werden belohnt und schlechte Taten bestraft werden.<br />
Menschen, die hart arbeiten, erreichen am Ende auch mehr.<br />
Soziale Flexibilität<br />
Das Verhalten und die wahren Gefühle einer Person können einander widersprechen.<br />
Menschen können zu verschiedenen Gelegenheiten ein gegensätzliches Verhalten zeigen.<br />
Schicksalsglauben<br />
Persönliche Eigenschaften wie Aussehen oder Geburtsdatum beeinflussen unser Schicksal.<br />
Erfolg und Misserfolg werden vom Schicksal gelenkt.<br />
Konsequenzen religiösen Glaubens<br />
Glaube erhöht das seelische Wohlbefinden.<br />
Es gibt ein höheres Wesen, das das Universum lenkt. 8<br />
Lebensformen, Lebensziele und Wertorientierungen<br />
Wertorientierungen bzw. Werthaltungen werden als sehr allgemeine, den vielen einzelnen Einstellungen<br />
übergeordnete Maßstäbe zur Bewertung von Handlungen und Handlungszielen gesehen. Wertordnungen<br />
enthalten eine Rangordnung mehr oder minder wichtiger Werte, als unverzichtbar erscheinende<br />
Grundwerte und nachrangige Werte oder einfache Präferenzen. Eine besondere Gruppe bilden die<br />
Menschenrechte sowie spezielle moralische und religiöse Werte, die nur für bestimmte Personengruppen<br />
gelten.