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Menschenbilder - Jochen Fahrenberg

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123 <strong>Menschenbilder</strong>: Psychologische, biologische, interkulturelle und religiöse Ansichten ( J. <strong>Fahrenberg</strong>, 2007)<br />

des und im Liebesgebot sieht er das Gemeinsame aller Religionen. Er meint einfache Freundlichkeit<br />

und Güte, nicht aufgrund von Geboten Gottes oder durch Nachfolge Jesu vermittelt, sondern als alltägliche,<br />

allerdings durch Meditation und Achtsamkeit gereinigte und vertiefte Zuwendung und Uneigennützigkeit.–<br />

Die Vorstellung eines regelmäßig wiedergeborenen, gottähnlichen Religionsführers ist<br />

allerdings dem ursprünglichen Buddhismus (Theravada) völlig fremd.<br />

Die Zuwendung westlicher Menschen zu östlichen Religionen hat auch Kritik gefunden. Es würden<br />

– ohne den kulturellen Zusammenhang – nur menüartig einzelne Elemente importiert und dabei<br />

u.U. problematische Anteile, wie die fragwürdigen schamanistischen und magischen Rituale (z.B. im<br />

Kalachakra-Tantra und im Shambhala-Mythos des tibetischen Buddhismus), verharmlost. In Bhutan<br />

und Nepal sind diese Bereiche der praktizierten Magie den westlichen Besuchern gewöhnlich verschlossen,<br />

doch sieht der Reisende vielerorts die Hinweise auf einen lebhaften Geisterglauben, ähnlich<br />

dem faszinierenden Polytheismus in Indien. Im Lamaismus existieren Elemente des Schamanismus<br />

aus der älteren Bön-Religion Tibets und magisch-sexuelle Praktiken des indischen Tantrismus fort. 14<br />

Der Glauben an die vermittelnde und helfende Funktion von Göttern, an Boddhisatvas bzw. verschiedene<br />

Verkörperungen des historischen Buddha oder der verbreitete Glauben an die persönliche Wiedergeburt<br />

(Reinkarnation) sind sehr weit von den ursprünglichen Lehren Buddhas und dessen Klarheit<br />

und Nüchternheit entfernt. 15<br />

Exkurs zur chinesischen Anthropologie<br />

Das buddhistische Denken hat, als es durch reisende Mönche nach China gelangte, breiten und zeitweilig<br />

sogar dominierenden Einfluss auf die religiösen Überzeugungen gewonnen. Diese waren damals<br />

in unterschiedlichem Maße durch die Weisheitslehre des Daoismus und durch die – oft als Sittenlehre<br />

– bezeichnete Philosophie des Konfuzianismus geprägt.<br />

Daoismus<br />

„Das Dao, das gesagt werden kann, ist nicht das Dao des Absoluten. Der Name, der gesagt werden<br />

kann, ist nicht der Name des Absoluten. Das Namenlose ist Ursprung von Himmel und Erde. Das Benannte<br />

ist die Mutter aller Dinge.“<br />

Der erste Vers im Dao De Jing (Tao-te-king), oft in kunstvoller Kalligraphie geschrieben, veranschaulicht<br />

in einer unerreichbaren Weise eine Einheit: die philosophische Idee, die Unmöglichkeit<br />

ihres befriedigenden sprachlichen Ausdrucks, die selbstbezügliche Darstellung dieses Sachverhalts<br />

und die graphische, ästhetische Kunstform. Der Text macht in selbstreflexiver Weise deutlich, was<br />

auch das Problem aller Mystik und Esoterik ausmacht. Was gesagt werden kann, ist nicht der eigentliche<br />

Sinn und befriedigt uns deswegen nicht. Die Spuren des mythischen Verfassers, Laozi (auch Laotse,<br />

vielleicht 571-480 vor unserer Zeitrechnung) verlieren sich an der Grenze des alten Chinas (siehe<br />

Bert Brechts Nachempfindung dieser Szene am Grenzpass auf dem Wege des Laozi in die Emigration).<br />

16<br />

In dieser Tradition hat Zhuangzi (Dschuang Dsi, gest. wahrscheinlich 286 v.u.Z.) die daoistische<br />

Lehre ausgeführt und die Harmonie zwischen den Menschen und dem Urgrund der Dinge erläutert.<br />

Das ewige, absolute Dao (Weg, Sinn) wird als mystisch-kosmische Einheit von Sein und Nicht-Sein,<br />

von Ding und Geist, verstanden. Der Daoismus verwendet häufig eine Sprache der Natur. So wird Dao<br />

mit Natursymbolen und als Mutter beschrieben. Das ursprüngliche Dao zeugte Yin und Yang. Das in<br />

der Welt und im Menschen enthaltene Dao heißt Te. Werden und Tun des Dao ist das Wu Wei, das<br />

Nicht-Machen, das Geschehen-Lassen, Nicht-Einmischen, Nicht-Angreifen, das Sosein-Lassen des<br />

Dao im Sinne einer natürlichen Lebensführung, sich eines gegen die Natur gerichteten Handelns<br />

enthalten. Die Menschen gehen aus dem nicht-dualistischen Dao hervor und kehren wieder in diese<br />

Einheit zurück, bleiben also in die universale Ordnung eingebunden. Sie erreichen Sinnerfüllung in<br />

ihrem Leben, indem sie Einseitigkeiten und Disharmonien vermeiden.<br />

Diese Weisheitslehre klingt sehr abstrakt und esoterisch, hat jedoch eine sehr lebenspraktische<br />

Seite. Langes Leben wird durch eine innere Harmonie der polaren Kräfte, durch Gelassenheit und die<br />

Balance von Tun und Nicht-Tun erreicht. Es kommt darauf an, die richtige Mischung von Nahrungsmitteln<br />

und Lebensgewohnheiten einzuhalten, und die chinesische Medizin hat ein ganzheitliches Sys-

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