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Menschenbilder - Jochen Fahrenberg

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220 <strong>Menschenbilder</strong>: Psychologische, biologische, interkulturelle und religiöse Ansichten ( J. <strong>Fahrenberg</strong>, 2007)<br />

Ein typischer und weit verbreiteter Aberglaube knüpft sich an die Horoskope, die der Zukunftsprognose<br />

dienen. Genauere Untersuchungen der traditionellen und auch der modernisierten Astrologie<br />

haben ganz überwiegend negative Ergebnisse geliefert. Für seltene positive Effekte gibt es überzeugende<br />

und wiederholt bestätigte psychologische Erklärungen, d.h. verzerrende Vorentscheidungen der<br />

Teilnehmer und bestimmte Auswahleffekte. Weshalb die Horoskope dennoch gewünscht und bezahlt<br />

werden, ist oft diskutiert worden. In dem Irrglauben, die Zukunft gleichsam berechnen zu können,<br />

äußern sich ein starker Schicksalsglauben, Angst und Hoffnungen in einem vergeblichen Versuch der<br />

Lebensbewältigung. Vor allem sind die werbewirksamen Auftritte von Astrologen in den Massenmedien,<br />

einschließlich des Fernsehens, zu nennen und der damit verbundene Kommerz, d.h. die Ausbeutung<br />

des Aberglaubens. 22<br />

Alltägliche Herausforderungen an die Idee der Aufklärung<br />

Kants Forderung nach Mündigkeit durch Aufklärung in Religionsdingen bleibt ein schwieriges Programm.<br />

Wie kompliziert die ethischen Abwägungen sein können, zeigt sich auf dem Gebiet der Esoterik,<br />

der Psychosekten und des Aberglaubens. Einerseits besteht das Recht auf Meinungs-, Organisations-<br />

und Gewerbefreiheit, andererseits können in der Praxis schwerwiegende ethische Konflikte entstehen,<br />

sowohl für Familienmitglieder als auch für die zunächst unbeteiligten Beobachter solcher<br />

Ereignisse.<br />

Eine deutliche Abgrenzung zwischen Sekte und Religion, Aberglauben und Glauben, Erweckungsbewegung<br />

und Lebensweisheit, ist inhaltlich schwierig, im Grunde unmöglich. Dennoch sind<br />

solche Unterscheidungen unumgänglich, wenn es nicht allein um die spirituellen Überzeugungen,<br />

sondern um die Praxis von Heilverfahren geht. So muss ein öffentliches Interesse bestehen, damit<br />

nicht lebensbedrohliche Krankheitszustände übersehen oder falsch behandelt werden.<br />

Noch komplizierter ist die Beurteilung von möglicherweise schädlichen und verhängnisvollen<br />

Praktiken, wenn diese Nachteile nicht medizinisch-objektiv registriert werden können. Hier sind<br />

hochgradige psychische Abhängigkeiten von Gurus, Missionaren und Heilern gemeint, psychische<br />

Störungen oder wirtschaftliche Abhängigkeiten, die extrem auffällig sind. Werden die Grundrechte<br />

und die Handlungsfreiheit massiv eingeschränkt, zwar mit Zustimmung der Betroffenen, aber ohne<br />

vorherige und hinreichende Information über mögliche Risiken? Selbst wenn bei den Erwachsenen die<br />

persönlichen Entscheidungen und Abhängigkeiten respektiert werden, gibt es die eigenständigen<br />

Rechte von Kindern und Jugendlichen sowie von anderen schutzbedürftigen Personen.<br />

Ausblick<br />

Als Kernthemen der Anthropologie wurden zuvor das Leib-Seele-Problem und das Problem der Willensfreiheit<br />

geschildert. Alle intellektuellen Bemühungen haben bisher nicht zu einer befriedigenden<br />

Lösung geführt. Aus beiden Diskursen folgt die Diagnose, dass der Pluralismus der Auffassungen als<br />

Meinungsvielfalt offensichtlich zur Wirklichkeit einer freien Gesellschaft gehört und fortbestehen<br />

wird. Diese Sicht des Pluralismus auch auf den Gottes-Glauben und andere religiösen Grund-<br />

Überzeugungen auszuweiten, scheint sehr viel konflikthafter zu sein, denn hier werden weiterhin absolute<br />

Wahrheitsansprüche vorgetragen oder abgelehnt.<br />

Wenn Menschen ihren religiösen Glauben mit einem unbedingten Wahrheitsanspruch leben, ist<br />

dies sicher verständlich. Wer wollte diese subjektive Glaubensgewissheit nicht respektieren? Dabei<br />

können individuell vielleicht die Bereitschaft und die Fähigkeit fehlen, die Perspektive zu wechseln,<br />

d.h. die eventuell ebenso sichere Überzeugung der Andersdenken zu erkennen, ebenfalls zu achten und<br />

diese Mehrdeutigkeit zu akzeptieren. Die esoterischen Überzeugungen, die sogenannten Psychosekten<br />

und der Aberglauben wurden hier geschildert, um alltägliche Herausforderungen an die Idee der Aufklärung<br />

zu beschreiben. Im konkreten Fall werden es oft schwierige Abwägungen zwischen dem<br />

Recht auf Selbstbestimmung und der verantwortlichen Begrenzung einer schädlichen Praxis sein.

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