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Menschenbilder - Jochen Fahrenberg

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16 <strong>Menschenbilder</strong>: Psychologische, biologische, interkulturelle und religiöse Ansichten ( J. <strong>Fahrenberg</strong>, 2007)<br />

<strong>Menschenbilder</strong> der Psychotherapie und Psychologie<br />

2 Von Sexualität und Aggressivität, Lustprinzip und Realitätsprinzip<br />

geleitet, mit skeptischer Hoffnung auf eine humane Entwicklung<br />

(Sigmund Freud)<br />

Freuds Menschenbild steht hier am Anfang. Er übte einen so tiefgreifenden Einfluss auf die moderne<br />

Sicht des Menschen aus wie kaum ein anderer – sei es in einer engen oder einer eher distanzierten<br />

Nachfolge, sei es in produktiver Auseinandersetzung oder in heftiger Ablehnung.<br />

Auf die Frage nach dem Sinn unseres Daseins gibt Freud keine positive, tröstliche Antwort. Er<br />

hat sich zwar mit philosophischen Themen und mit religiösen Fragen befasst, aber sich davon wieder<br />

abgewandt. Aus seiner rationalen und nüchternen Sicht sind solche Ideen zu wenig überzeugend und<br />

zu weit von dem entfernt, was ihn interessiert. Freud denkt als Arzt und Naturwissenschaftler und hat<br />

das Ziel, Patienten mit psychischen Problemen zu behandeln, damit sie ihre Konflikte, ihre Ängste und<br />

Verhaltensstörungen überwinden. Die Neurologie und die Psychiatrie jener Zeit waren auf diesem<br />

Gebiet weitgehend hilflos. Das wusste Freud, denn er war sowohl in der Laborforschung als auch in<br />

der Klinik tätig, wobei er zur Neurologie mehrere originelle Ideen beigetragen hat.<br />

Für die Therapie der Patienten mussten neue Wege gesucht werden. Zusammen mit Franz Breuer<br />

probiert er, neurotische Patienten durch Hypnose und Suggestionsverfahren zu behandeln. Da sich<br />

kein dauerhafter Erfolg einstellt, beginnt Freud ein neues Verfahren zu entwickeln: die Psychoanalyse.<br />

Damit ist hier zweierlei gemeint: Eine psychologische Methode, in unbewusste Prozesse vorzudringen,<br />

und eine aus diesen Erfahrungen entwickelte psychologische Theorie des Menschen. Zur Psychoanalyse<br />

gehören außerdem die Krankheitslehre der Neurosen, und die Theorie und Praxis der Psychotherapie.<br />

Freud schuf das erste große System der Psychotherapie.<br />

Freud fiel auf, dass in den Ängsten und Zwangshandlungen seiner Patienten, aber auch in alltäglichen<br />

Erinnerungslücken oder Versprechern, Hinweise auf andere, irgendwie damit zusammenhängende<br />

Vorstellungen und starke Emotionen enthalten sein können. Diese psychischen Ursachen der<br />

Symptome sind den neurotischen Patienten nicht mehr direkt zugänglich, bleiben verborgen, können<br />

sich jedoch auf das aktuelle Erleben und Verhalten störend, u.U. bis zum Äußersten negativ, auswirken.<br />

Es gibt unbewusste Prozesse, die sich in neurotischen Symptomen manifestieren. Als Neurologe<br />

weiß Freud, dass viele Funktionen des Gehirns automatisch und unbemerkt ablaufen. Ihn interessieren<br />

dagegen jene besonderen Erlebnisse, die einmal bewusst waren und dann „vergessen“ wurden. Entweder<br />

waren sie zu peinlich oder sie wurden verdrängt, weil sie mit überwältigenden Emotionen verbunden<br />

sind, mit einem tief reichenden und angstauslösenden Konflikt, mit unerlaubten sexuellen oder<br />

destruktiven Triebimpulsen. Solche Motive bleiben u.U. latent gegenwärtig, sie werden vielleicht<br />

durch andere überdeckt oder scheinbar ersetzt – so wie es auch in der Bilderwelt der Träume und in<br />

Märchen vorkommen kann.<br />

Es fehlte noch eine psychologische Methode, wie zu diesen nicht direkt erinnerbaren Motiven<br />

vorzudringen ist. Wie lassen sich die Zusammenhänge bis zu den ursprünglichen, vielleicht in der<br />

frühen Kindheit liegenden Konflikten zurückverfolgen? Es muss einen Weg geben, die zugrunde liegenden<br />

Konflikte bewusst zu machen und zu beeinflussen. Freud hat diese Methode entwickelt.<br />

Der Zugang zu den unbewussten Ursachen unseres Verhaltens<br />

Die Idee, dass unbewusste Vorgänge einen wichtigen, oft entscheidenden Einfluss auf unser Verhalten<br />

haben, war nicht neu, und ist u.a. bei Arthur Schopenhauer, Friedrich Nietzsche und Gustav Theodor<br />

Fechner zu finden. Die Deutung von Träumen als Weg zu unbewussten Motiven hat eine noch längere<br />

Vorgeschichte. Freud entwickelte jedoch eine neue (und weniger spekulative) Methodik, unbewusste<br />

psychologische Zusammenhänge aufzudecken. Der Träumer liefert zu dem erinnerten Traum spontane

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