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Menschenbilder - Jochen Fahrenberg

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9 <strong>Menschenbilder</strong>: Psychologische, biologische, interkulturelle und religiöse Ansichten ( J. <strong>Fahrenberg</strong>, 2007)<br />

on, Islam, aufschlussreich. Ein kleiner Exkurs gilt außerdem den traditionellen <strong>Menschenbilder</strong>n in<br />

China und dem Ideal der Harmonie der Menschen und der Welt. In der Gegenwart ist es vor allem die<br />

bisher weitgehend fremde Glaubenswelt des Islam, welche die interreligiösen und interkulturellen<br />

Diskussionen bestimmt – bis zum häufig genannten „Zusammenstoß der Kulturen“.<br />

Die religiösen Glaubenslehren widersprechen sich untereinander fundamental und sie enthalten<br />

auch in sich Widersprüche, die mit menschlicher Vernunft kaum nachzuvollziehen sind. Andererseits<br />

meinen sehr viele Menschen, dass es einen der Vernunft nicht zugänglichen Bereich gibt. Aus der<br />

Sicht der nicht-religiösen Menschen mangelt es solchen Glaubenslehren an Überzeugungskraft, zumal<br />

wenn dieser Glauben dogmatisch geäußert und Andersdenkende ausgegrenzt, missioniert oder herabgesetzt<br />

werden.<br />

Fortschritte?<br />

Zeitweilig als wichtig anerkannte <strong>Menschenbilder</strong> wirken heute antiquiert, z.B. Schelers einseitige<br />

Metaphysik, Gehlens Sicht des Menschen als Mängelwesen. Auch heutige Auffassungen sind dem<br />

aktuellen kulturellen und politischen Kontext verhaftet. In dem geschichtlichen Prozess sind eigenartige<br />

Verläufe, Verengungen (Dogmatisierung und Restauration) und Ausweitungen des Bewusstseins zu<br />

erkennen. Wer an diesem geschichtlichen „Gang des Geistes“ interessiert ist, wird an das Jahrhundert<br />

der europäischen Aufklärung, das 18. Jahrhundert, denken müssen.<br />

Noch viel eindrucksvoller ist die von Karl Jaspers geschilderte „Achsenzeit“. 20 Unabhängig voneinander<br />

traten in verschiedenen Kulturen die ersten großen Philosophen und Religionsstifter auf und<br />

verkündeten ihre Lehre. Dieser universale Prozess kann unterschiedlich gedeutet werden: zunehmende<br />

Freistellung von körperlicher Alltagsarbeit, systematische Fragen nach dem Sinn des eigenen Lebens<br />

und andere Anlässe, die Beziehungen zwischen den Menschen und die Beziehung zu einer Transzendenz<br />

verstehen zu wollen. Nicht allein Götterbilder und Transzendenz wurden reflektiert, sondern<br />

<strong>Menschenbilder</strong> und die Anfänge der Menschenrechte entworfen. In dem Zeitraum vor etwa zweieinhalb<br />

Jahrtausenden lebten die ersten bedeutenden Philosophen Griechenlands, die großen jüdischen<br />

Propheten, Gotamo Buddha, der Jaina Mahavira, Konfuzius und Laotze, und es entstanden die hinduistischen<br />

Upanishaden. Zarathustra lebte wahrscheinlich vor dieser Zeit, Jesus später, viel später erst<br />

Mohammed. Bis heute sind dies die einflussreichsten Gestalten der Geistes- und Weltgeschichte. Jeder<br />

Fortschrittsglaube muss sich an dieser Tatsache messen.<br />

Was ist ein Menschenbild?<br />

Das Menschenbild ist die Gesamtheit der Annahmen und Überzeugungen, was der Mensch von Natur<br />

aus ist, wie er in seinem sozialen und materiellen Umfeld lebt und welche Werte und Ziele sein Leben<br />

haben sollte. Diese zentralen Überzeugungen einer Person unterscheiden sich von den anderen Einstellungen<br />

(1) durch ihre systematische Bedeutung, gedanklich den Grund zu legen und (2) durch ihre<br />

persönlich empfundene Gültigkeit, ihre Gewissheit und Wichtigkeit.<br />

Es gibt sehr viele „Annahmen über den Menschen“. Nur pauschal vom Sinn des Daseins zu reden,<br />

wird heute Vielen als zu abstrakt und zu philosophisch vorkommen. Näher liegt es, im einzelnen<br />

über wichtige menschliche Werte, die individuelle Lebenszufriedenheit und persönliche Hoffnungen<br />

zu sprechen; und viel konkreter noch, was dem Einzelnen für sich selbst oder für die Familie wirklich<br />

wichtig ist. Aus dieser psychologischen Sicht brauchen es nicht die religiösen und metaphysischen<br />

Überzeugungen zu sein, die einen Menschen erfüllen und ausrichten. Neben der Familie können auch<br />

die Musik oder der Sport, die Hilfe für andere Menschen oder das politische Engagement ein Zentrum<br />

des Lebens bilden. Dennoch ist es nicht aussichtslos, nach allgemeinen Komponenten von <strong>Menschenbilder</strong>n<br />

zu suchen, die wir mit anderen Menschen teilen. 21 – Einiges wird sich auf die grundlegenden<br />

Überzeugungen zurückführen lassen, in denen eine persönliche Antwort auf die Fragen Kants enthalten<br />

ist.<br />

Didaktisch anregend und amüsant ist es, wie der Philosoph Alwin Diemer die Vielfalt der <strong>Menschenbilder</strong><br />

durch einige Stichworte skizziert. 22 .

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