Menschenbilder - Jochen Fahrenberg
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223 <strong>Menschenbilder</strong>: Psychologische, biologische, interkulturelle und religiöse Ansichten ( J. <strong>Fahrenberg</strong>, 2007)<br />
William James entwickelte die Erkenntnisposition des Pluralismus gegen den dominierenden Idealismus<br />
und gegen die Philosophie des Absoluten. In seiner empirischen und pragmatischen Auffassung<br />
wird seine doppelte Orientierung als Philosoph und als empirischer Psychologe deutlich. Er möchte<br />
dem Faktum der oft widersprüchlichen Erfahrungen gerecht werden und sucht nach praktischen, allgemein<br />
überzeugenden Auswegen, denn Pluralismus ist Relativismus, d.h. Verlust an allgemein verbindlicher<br />
öffentlicher Rationalität. Deswegen gehören Kompromiss und Vermittlung untrennbar zur<br />
Philosophie des Pluralismus, und nicht allein aus dem abstrakten Denken, sondern auch aus der Lebenspraxis<br />
sind wichtige Gesichtspunkte zur Würdigung philosophischer Ideen und ihrer Konsequenzen<br />
abzuleiten. Während James in den angelsächsischen Ländern sehr einflussreich wurde, fanden<br />
seine Ideen in Deutschland weniger Anklang. Von James führen wichtige Linien zur Pädagogik und<br />
zur modernen Evaluationsforschung, d.h. der empirisch-pragmatischen Prüfung, ob eine behauptete<br />
Änderung tatsächlich erreicht wurde. 4 Eine weitere Linie geht zur Wissenschaftstheorie Karl Poppers.<br />
Wenn keine wissenschaftliche Theorie unbedingten Geltungsanspruch erheben kann, müssen überzeugende<br />
Konventionen entwickelt werden, wie diese Theorien auf angemessene Weise zu prüfen bzw.<br />
zu falsifizieren sind.<br />
„Nicht nur in der Welt der sozialen Interessen und der Werte, sondern auch in der Welt der Ideen und<br />
der Erkenntnis – Weltbilder, Theorien und Wissenschaften eingeschlossen – gibt es den 'Streit der<br />
Kulturen', weil Perspektivität ein nicht hintergehbares Apriori, eine allgemeine und notwendige Bedingung<br />
von Erfahrung, Erkenntnis und Theoriebildung ist. So stellt sich das Problem der Koexistenz<br />
(und der Inkommensurabilität) von Kulturen bereits für die Erkenntnistheorie, und schon hier, vor<br />
allem Politischen, geht es um Freiheit und Ordnung, das Einzelne des einzelnen und das allgemeine<br />
Gesetz.“ (Sandkühler, 1996). 5<br />
„In der Philosophie und anderen Formen der Weltbildkonstruktion hat sich Pluralismus zwar<br />
weitgehend als Selbstverständlichkeit gegen Systemansprüche und Monismen bzw. Dualismen durchgesetzt;<br />
er wird aber nur in wenigen Philosophien explizit theoretisch (ontologisch, epistemologisch,<br />
methodologisch) begründet. ... Pluralismus ist freilich auch mit der skeptischen Frage konfrontiert, ob<br />
er sich nicht zwangsläufig in den Schrecken der Beliebigkeit und des Relativismus verkehrt. Wer die<br />
Frage bejaht, sieht im Konzept des Pluralismus die philosophische Steigerung eines alttäglichen Irrationalismus<br />
zum ontologischen, epistemologischen und methodologischen anything goes.“ 6<br />
„Der Pluralismus ist aus kritisch-rationalistischer Sicht eine allgemeine wissenschaftliche Erkenntnishaltung.<br />
Grundsätzlich wird eine Pluralität von Theorien, die wechselseitig in einem Verhältnis<br />
der Kritik stehen, akzeptiert und der dogmatische Wahrheitsanspruch jeder einzelnen Theorie zurückgewiesen.<br />
... Und wer gegen den Pluralismus ist, sollte wissen, wovon er spricht, und prüfen, ob er<br />
wirklich auf all das verzichten will, was er als Antipluralist ablehnen zu müssen glaubt.“ (Spinner,<br />
1974). 7<br />
In den empirischen Wissenschaften sind Konventionen entstanden, wie die Widersprüche zwischen<br />
Beobachtungen sowie zwischen den theoretischen Schlussfolgerungen aufgelöst werden können, auch<br />
wenn dies u.U. ein langwieriger Prozess ist. Auf dem Gebiet der Philosophie und Religion, der Psychologischen<br />
und Philosophischen Anthropologie, sind solche Konventionen unüblich. In der intellektuellen<br />
Auseinandersetzung herrschen die profilierten, z.T. polemischen Abhandlungen vor, auch als<br />
Ideologiekritik. Wenn aber Pluralismus politisch und erkenntnistheoretisch als Wettstreit von Ideen<br />
und Theorien verstanden wird, dann gehört zu diesem Pluralismus die gründliche und gemeinsame<br />
Diskussion der Auffassungen – in der kritisch-rationalistischen Erwartung, dass sich aus diesen Verhandlungen<br />
das ergeben könnte, was eigentlich gemeinsam gesucht wird. Die Entstehung der Deklaration<br />
über die universalen Menschenrechte und die Erklärung zum Weltethos sind herausragende Beispiele<br />
für erfolgreiche Vereinbarungen über fundamental schwierige Themen.<br />
Toleranz und Intoleranz<br />
Toleranz ist im allgemeinsten die Duldung von Anderem, auch wenn es schwer fällt, dieses Anderssein<br />
von Verhaltensweisen, Sitten, Handlungen, Überzeugungen zu ertragen. Es gibt Grenzen, die<br />
durch das Recht bzw. die Menschenrechte gesetzt werden und durch die eigenen Kenntnisse, vor allem