Menschenbilder - Jochen Fahrenberg
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77 <strong>Menschenbilder</strong>: Psychologische, biologische, interkulturelle und religiöse Ansichten ( J. <strong>Fahrenberg</strong>, 2007)<br />
werden. Vielleicht wird einmal jene Minderheiten, die von einem zyklischen Ablauf überzeugt ist, die<br />
Oberhand gewinnen.<br />
Die Vorstellungen der Kosmologie und das Weltbild der Physik werden sich unabwendbar auch<br />
auf das Menschenbild und auf die allgemeine Einstellungen zur Wissenschaft und deren Erkenntnisgrenzen<br />
auswirken. Wird es den Physikern tatsächlich gelingen, eine überzeugende Theorie der materiellen<br />
Welt zu schaffen? Die Suche nach der großen vereinheitlichenden Theorie, einer allumfassenden<br />
Physik, um die Quantentheorie der Mikrophysik mit Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie der<br />
Makrophysik des Universums zu integrieren, war bisher enttäuschend. Die als Ausweg entwickelte<br />
und gegenwärtig von vielen mathematischen Physikern favorisierte Stringtheorie nimmt nicht mehr<br />
punktuelle energetische Elementarteilchen an, sondern unterschiedliche Anregungszustände wie die<br />
Schwingungen von Saiten (Strings). In dieser Theorie ergeben sich außer den anschaulichen vier<br />
Raum-Zeit-Dimensionen weitere sechs, nur mathematisch definierte Raum-Dimensionen mit der irritierenden<br />
Konsequenz, dass unzählig viele Universen parallel existieren könnten. Demnach existiert,<br />
wie u.a. der Physiker Leonard Susskind meint, ein Multiversum und in jedem einzelnen Universum<br />
gelten u.U. eigene Naturkonstanten und andere Naturgesetze. Wir leben in einer lokalen Tasche dieses<br />
Universums, in der sich das Leben „passend“ entwickelt hat. Diese Auffassungen werden von anderen<br />
Kosmologen als esoterische Spekulation betrachtet und kritisiert, wie auch die Stringtheorie, weil ihr<br />
theoretischer Erklärungswert für andere Naturereignisse im Vergleich zum geltenden Standardmodell<br />
bisher minimal sei. Im Vergleich zu den bisherigen sollten neue physikalische Theorien mehr erklären,<br />
neue Vorhersagen ermöglichen und dabei im Prinzip auch falsifizierbar sein.<br />
Die Annahme, dass im Universum außerhalb unserer Welt Leben und auch intelligente Lebewesen<br />
in den geschätzten 10 22 Sternensystemen existieren, ist grundsätzlich kaum mehr bestritten. Wie<br />
die Chancen eines Kontakts einzuschätzen sind, ist eine andere Frage. Für die christlichen Kirchen und<br />
Gläubigen war die Vorstellung von außerirdischen intelligenten Wesen lange Zeit äußerst provozierend.<br />
Wenn die Menschheit der biblischen Schöpfungslehre und der Planet Erde nicht mehr den Mittelpunkt<br />
des Universums bilden, dann ist dies nicht nur eine Angelegenheit der Astronomen. Für den<br />
gläubigen Christen stellen sich beunruhigende Fragen, denn die Schöpfung des Menschen und die<br />
Erlösung durch Jesus Christus wurden als einmalige Ereignisse verstanden. Nun öffnet sich die Frage,<br />
ob Gott mehrere Welten geschaffen haben könnte und ob Jesus ebenso für die anderen gestorben ist.<br />
Die Passung von Mensch und Welt<br />
Zwischen Umweltbedingungen und der Anatomie und Physiologie des menschlichen Körpers besteht<br />
eine Passung, die in der Stammesgeschichte entstanden ist und Selektionsvorteile haben muss. Auch<br />
für die psychophysischen Hirnfunktionen kann eine solche Passung angenommen werden. Unsere<br />
Realitätsprüfung und unser Wissenserwerb funktionieren zumindest in wichtigen Basisfunktionen gut.<br />
Die Evolutionäre Erkenntnistheorie betont, dass Kognition auch ein biologisches Phänomen ist: Die<br />
individuellen Erkenntnisstrukturen passen auf die Welt, weil sie sich im Laufe der Evolution in der<br />
Anpassung an diese reale Welt herausgebildet haben. 13<br />
Sinnesorgane und Gehirn liefern jedoch kein einfaches Abbild (Widerspiegelung) der Natur; es<br />
gibt spezielle Mechanismen der angeborenen und der gelernten Informationsverarbeitung, Fehlwahrnehmungen,<br />
falsche Erinnerungen usw. Generell vollzieht sich die Wahrnehmung der objektiven Welt<br />
nach Prinzipien, die sich in einer langen Evolution bewährt haben, ein schlüssiges Bild der äußeren<br />
und inneren Realität zu geben. Wahrnehmung, Begriffsbildung, zuverlässige Aussagenprüfung, induktive<br />
und deduktive Schlüsse, Kausalerklärungen und Wahrscheinlichkeitslernen haben im evolutionär<br />
entstandenen Erkenntnisapparat eine biologische Basis. Eine Erklärung für die Entstehung des Bewussteins<br />
und dessen Selektionsvorteil ist damit noch nicht gewonnen.<br />
Auch zwischen den physikalischen Eigenschaften des Universums mit seinen speziellen Naturkonstanten<br />
und der Evolution des Lebens scheint eine eigentümliche Passung zu bestehen. Das sog.<br />
anthropische Prinzip besagt: Was wir beobachten, muss durch Bedingungen ausgezeichnet sein, die<br />
für unsere Anwesenheit als Beobachter notwendig sind. „Es ist ein sich erkennendes Universum“. 14<br />
Damit überhaupt Leben entstehen konnte, mussten die wichtigen Naturkonstanten in einem zueinander<br />
passenden, ausgezeichneten Wertebereich liegen, d.h. nicht zufällig sein: die Feinstrukturkonstante<br />
Alpha, welche die Relation zwischen Atomkern und Elektronenhülle bestimmt, Newtons Gravitationskonstante,<br />
Plancks Wirkungsquantum, die Lichtgeschwindigkeit, die Ladung des Elektrons und