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Menschenbilder - Jochen Fahrenberg

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60 <strong>Menschenbilder</strong>: Psychologische, biologische, interkulturelle und religiöse Ansichten ( J. <strong>Fahrenberg</strong>, 2007)<br />

Å Autoritarismus: der Gehorsam gegenüber Autoritätspersonen, Machtorientierung und Konformismus.<br />

Å Dogmatismus: das starre und bedingungslose Festhalten an Grundüberzeugungen, an der „wahren“<br />

Lehre, einem geschlossenen System von Meinungen und Werten; Widerstand gegen Veränderungen,<br />

in gesteigerter Form als absoluter und umfassender (totalitärer) Anspruch auf Wahrheit.<br />

Å Egozentrismus: die Orientierung an den eigenen, als legitim angesehenen Interessen und Werten;<br />

Vorteilnahme (Egoismus), eigennütziges, selbstbezogenes Denken und Verhalten.<br />

Å Fundamentalismus: die Grundsätze der eigenen Überzeugung (des Dogmas) werden mit solcher<br />

Gewissheit und Beharrlichkeit geäußert und verteidigt, dass kein Raum für Veränderungen, neue<br />

Ideen oder Kompromisse besteht; Gewissheit der absoluten Irrtumslosigkeit der Bibel, Rechtgläubigkeit,<br />

Kampf gegen jeglichen Modernismus (Darwinismus, Freudianismus, Liberalismus<br />

usw.).<br />

Å Individualismus: die Rechte, Werte und Interessen des Einzelnen sind wichtiger als die einer<br />

anonymen Gesellschaft; Autonomie der Person und Unabhängigkeit von kollektiven Meinungen,<br />

Normen, Moden und Verhaltensweisen. Die Individuen sind die eigentliche Wirklichkeit, Grundlage<br />

des gesellschaftlichen Lebens, höchster Wert und letztes Ziel; Gruppen und Gesellschaft<br />

sind nur Mittel der Entfaltung.<br />

Å Intoleranz der Mehrdeutigkeit (Ambiguität): mehrdeutige, widersprüchliche Sachverhalte werden<br />

schlecht ertragen; eine starre, unflexible, zwanghafte Haltung; Zwischentöne und komplexe<br />

Sachverhalte irritieren und werden abgelehnt; Unfähigkeit, sich in die Sichtweise anderer hineinzuversetzen<br />

(Perspektiven-Übernahme).<br />

Å Konformismus: die bereitwillige Anpassung an soziale Normen der Gruppe/Gemeinschaft, Willfährigkeit,<br />

sich nach anderen zu richten.<br />

Å Konservatismus: das Bewahren von hergebrachten Werten und Strukturen (traditionsgeleitet),<br />

Festhalten am Bewährten im politisch-ökonomischen, kulturellen und religiösen Bereich; Ablehnung<br />

von Reformen, Veränderungen und Pluralismus.<br />

Å Pluralismus: die Anerkennung der Vielheit und der Gleichwertigkeit des Ungleichen.<br />

Å Rassismus: die Überlegenheit der eigenen Rasse; Ablehnung, soziale Diskriminierung, Verachtung<br />

und Verfolgung anderer Rassen.<br />

Å Vertrauen: die optimistische Überzeugung sich auf andere verlassen zu können, menschliche<br />

Zuversicht auf Solidarität, Freundschaft.<br />

Å Zynismus: die negative Bewertung des menschlichen Charakters im Allgemeinen; Menschen sind<br />

im Großen und Ganzen nicht vertrauenswürdig; skeptische Einschätzung öffentlicher Selbstdarstellungen,<br />

u.a. von Politikern, als unecht, unglaubwürdig (scheinheilig); Hinweis auf häufige<br />

Doppelmoral, Betonung der Unterschiede zwischen geäußerter Einstellung/Religion und tatsächlichem<br />

Verhalten.<br />

Es sind viele einzelne Aspekte, aus denen erst ein Profil bzw. ein individuelles Bild zusammengesetzt<br />

werden müsste. In der Wirklichkeit könnten sich bestimmte Einstellungen wechselseitig verstärken,<br />

abschwächen oder in Konflikt geraten. Die Übereinstimmung oder das häufige Auseinanderfallen von<br />

geäußerter Einstellung und tatsächlichem Verhalten bilden als Einstellungs-Verhaltens-Problem ein<br />

wichtiges Thema der Sozialpsychologie und der psychologischen Diagnostik. Als thematisch passende<br />

Beispiele sozialer Einstellungen werden hier die autoritäre Persönlichkeit und das Misstrauen gegen<br />

Fremde ausgewählt.<br />

Autoritäre Persönlichkeit<br />

Die folgende Beschreibung der „autoritären Persönlichkeit“ schildert einen Typus, der durch ein Muster<br />

solcher Einstellungen gekennzeichnet ist. Dieses Denk- und Verhaltensmuster wurde ursprünglich<br />

von Erich Fromm in seiner großen Sozialstudie am Vorabend der nationalsozialistischen Machtergreifung<br />

beschrieben. Bis heute ist dieses Konzept aus psychologischer Sicht wahrscheinlich der wichtigste<br />

einzelne Beitrag zum Verständnis jener Entwicklung zum totalitären Regime. Während international<br />

inzwischen mehr als 2.000 Forschungsarbeiten vorliegen, kam es in Deutschland aus mehreren Grün-

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