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Menschenbilder - Jochen Fahrenberg

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177 <strong>Menschenbilder</strong>: Psychologische, biologische, interkulturelle und religiöse Ansichten ( J. <strong>Fahrenberg</strong>, 2007)<br />

scheidend Christliche – das gilt wie für die Dogmatik so konsequenterweise auch für die Ethik – ist<br />

nicht ein abstraktes Etwas, auch nicht eine Christusidee, eine Christologie oder ein christozentrisches<br />

Gedankensystem, sondern ist dieser konkrete Jesus als der Christus, als der Maßgebende.“ (Christ<br />

sein). 2<br />

Der wesentliche Unterschied zum Ethos anderer Traditionen liegt demnach im Glaubensbekenntnis zu<br />

Jesus Christus, nicht im konkreten ethischen Handeln oder in einer spezifischen Zusammenstellung<br />

von Normen. So ist es scheinbar konsequent, wenn Küng nicht darauf eingeht, welche der Menschenrechte<br />

nach heutigem Verständnis im Neuen Testament fehlen – im Unterschied zu anderen, teils wesentlich<br />

älteren religiösen und säkularen Morallehren.<br />

Kants Kategorischer Imperativ<br />

Kant versuchte das allgemeine Sittengesetz aus der vernünftigen Einsicht des Menschen zu begründen.<br />

Dieses Denken führt für ihn zu Gott als der Idee einer denknotwendigen Instanz dieses Sittengesetzes.<br />

In der berühmten Formulierung des Kategorischen Imperativ: „Handle nur nach derjenigen Maxime,<br />

durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde“ drückt Kant eine allgemeinste<br />

sittliche Norm aus. Sie hängt für ihn unbedingt mit der Existenz Gottes zusammen, denn nur<br />

in Gott ist eine verbindliche „Einheit der Zwecke unter dem moralischen Gesetze“ denkbar. Der von<br />

Kant geprägte kategorische Imperativ ähnelt der Goldenen Regel, doch war Kant überzeugt, dass das<br />

ethische Grundprinzip, um universal gültig sein zu können, doch einer transzendentalen Begründung<br />

bedürfe.<br />

„Da aber also die sittliche Vorschrift zugleich meine Maxime ist (wie denn die Vernunft gebietet, daß<br />

sie es sein soll), so werde ich unausbleiblich ein Dasein Gottes und ein künftiges Leben glauben und<br />

bin sicher, daß diesen Glauben nichts wankend machen könne, weil dadurch sittliche Grundsätze<br />

selbst umgestürzt werden würden, denen ich nicht entsagen kann, ohne in meinen eigenen Augen verabscheuungswürdig<br />

zu sein.“ (Kritik der reinen Vernunft, 1781). 3<br />

Für Kant ist die Freiheit das einzige Menschenrecht, von dem alle anderen Menschenrechte – wie auch<br />

das Gleichheitsprinzip – abgeleitet werden. Das Freiheitsprinzip könne nicht aus der Natur des Menschen<br />

begründet werden, sondern sei ein Vernunftrecht. Kant postulierte eine an die Vernunft gebundene<br />

Einheit der Person durch Autonomie, Selbstgesetzgebung und Ethik: das „Sittengesetz an sich“.<br />

Diese Argumentation war nicht als ein weiterer Gottesbeweis gemeint, sondern als die Letztbegründung<br />

der Moral. Kant vermochte damit nicht allgemein zu überzeugen. Friedrich Schiller, Arthur<br />

Schopenhauer und andere zweifelten, dass diese Pflichtethik das allein überzeugende Prinzip sein<br />

könne. Schopenhauer verwies hingegen – im Sinne der buddhistischen Ethik – auf die fundamentale<br />

Bedeutung des Mitleids mit anderen Menschen und anderen Lebewesen (was Kant als Grundlage der<br />

Ethik nicht gelten lassen wollte). Statt sich primär auf ein göttliches oder auf ein menschlichvernünftiges<br />

Gesetz zu berufen, kann an die Fähigkeit zum Mitleid appelliert werden: als emotionale<br />

Zuwendung, als Empathie und als Fähigkeit, die Perspektive zu wechseln.<br />

Grenzen der theologischen Letztbegründung<br />

Religiöse Menschen werden in der Regel annehmen, dass eine durch Gottes Gebote und Verbote bestimmte<br />

Moral fester gegründet ist als eine Rechtsordnung, die aus dem vernünftigen Denken der<br />

Menschen stammt. In der Erklärung des Parlaments der Weltreligionen sollten die verbindlichen Werte<br />

und unverrückbaren ethischen Maßstäbe festgestellt, d.h. hier, religiös fundiert, werden:<br />

„Auch wenn alle Menschen angesprochen werden sollen, auch die nichtreligiösen, soll doch deutlich<br />

gemacht werden, dass für die Religionen das Ethos religiös begründet ist. Ethos hat für religiös motivierte<br />

Menschen mit dem (durchaus vernünftigen) Vertrauen in eine letzte, höchste Wirklichkeit zu tun,<br />

wie immer diese genannt wird und wie immer diese in ihrer Natur unter den verschiedenen Religionen<br />

umstritten sein mag.“ (Küng & Kuschel, 1996) 4

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