Menschenbilder - Jochen Fahrenberg
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154 <strong>Menschenbilder</strong>: Psychologische, biologische, interkulturelle und religiöse Ansichten ( J. <strong>Fahrenberg</strong>, 2007)<br />
aufweisen oder ob sie nur vorgestellte Personifizierungen der Übel sind, welche die Menschheit plagen.<br />
Papst Johannes Paul II betonte jedoch, das Böse sei als „geheime Macht der Gesetzwidrigkeiten“<br />
in der Welt gegenwärtig und am Werk. Von Satan, dem „Vater der Lüge“ werde „in die Seele des<br />
Menschen der Keim des Widerstandes“ gegen Gott eingepflanzt. (siehe Katechese über die Heiligen<br />
Engel und über Satan) (Enzyklika Dominum et Vivificantem, Johannes Paul II, Erinnerung und Identität).<br />
8 Eine Kontinuität besteht in den offiziell, auch in Deutschland, praktizierten Exorzismen zur<br />
Überwindung böser Dämonen (zum Exorzismus, Kapitel 21). Im Protestantismus scheint der Teufel<br />
die Entmythologisierung der Bibel nicht überstanden zu haben, ausgenommen die Evangelikalen Kirchen.<br />
Menschliche Destruktivität<br />
Das Böse wird, trotz dessen traditioneller Beschreibung, heute meist nicht als das personifizierte Böse<br />
aufgefasst, sondern als sinnloser Vernichtungswille gegenüber Menschen, als absichtliche und u.U.<br />
auch lustvoll genossene Quälerei oder Zerstörung als Selbstzweck. Die geschichtlichen Erfahrungen<br />
sprechen dafür, dass einige Menschen durchaus im Stande sind, das Böse auch um seiner selbst willen<br />
zu tun. Diese Freude an der Zerstörung und den Machtrausch der Destruktion hat Erich Fromm psychologisch<br />
analysiert und von der gewöhnlichen Aggressivität unterschieden.<br />
Die Einsicht, dass Menschen zu einer menschenverachtenden Destruktion bereit sind, ist heute<br />
ein Teil der Anthropologe. Deshalb war es in der Darstellung der <strong>Menschenbilder</strong> bekannter Psychotherapeuten<br />
so auffällig, dass – von Freud und Fromm abgesehen – keiner der anderen Autoren sich<br />
mit der Idee des Bösen und der Destruktivität des Menschen auseinander setzte. Stattdessen wurde<br />
sogar ausdrücklich die gute Natur des Menschen betont, und die zur abendländischen Tradition gehörenden<br />
Themen wie Sündenfall und Schuld, Böses und Verdammnis werden übergangen. Die potenzielle<br />
Destruktivität von Menschen beschreiben und zumindest teilweise auch erklären zu können, ist<br />
ja eine wissenschaftliche Leistung der säkularen, diesseitigen Psychologie.<br />
Theodizee als Negation Gottes<br />
Im Schweigen Gottes wird eine dem Menschen unverständliche Haltung gesehen und irgendwie akzeptiert,<br />
weil es keinen logischen Ausweg gibt. Aber es kann ein anderer Schluss gezogen werden:<br />
Dieser Gott existiert nicht! Folgt aus dem Mut zum mündigen Denken sogar die Widerlegung der<br />
Existenz Gottes – ganz anders als es Kant in seiner Kritik und Hinwendung zu den „regulativen Ideen“<br />
meinte? Zur Logik dieser Argumente und zur Schärfe solcher Widerlegungen kann im Prinzip, wenn<br />
auch indirekt, die Wissenschaftstheorie beitragen. Eine sehr verbreitete Einsicht besagt, dass empirische<br />
Hypothesen nie endgültig zu beweisen sind. Demgegenüber sind Widerlegungen, d.h. das Scheitern<br />
einer bestimmten Hypothese an den realen Beobachtungen, in logischer Hinsicht wesentlich<br />
schärfer bzw. zuverlässiger. Nach diesem Denkschema wird ein Skeptiker zu der Schlussfolgerung<br />
gelangen, dass die Analyse der Theodizee logisch zwingend ergibt: ein gerechter, gütiger und zugleich<br />
allmächtiger Gott existiert nicht.<br />
Aber vielleicht folgt diese Perspektive nur aus einem theologischen Missverständnis? Der<br />
Mensch hat (gegen das ursprüngliche Gebot Gottes im Paradies) die Erkenntnis von Gut und Böse<br />
erhalten, d.h. auch die Freiheit des sittlichen Handelns. Folglich ist es in dieser grundsätzlichen Freiheit<br />
begründet, wenn Menschen gegen die Gebote verstoßen, grob unmoralisch handeln und Verbrechen,<br />
Kriege und Genozide verursachen. Hat der Schöpfergott vielleicht diesen notorischen Hang vieler<br />
Menschen zur Gewalt nicht vorhergesehen? Verweist die Anklage Gottes nicht auf die Natur des<br />
Menschen zurück, so dass die Theodizee eigentlich eine Anthropodizee ist?<br />
Die zuvor zitierte Umfrage bei 563 Studierenden der Psychologie sollte auch die Ansicht über die<br />
Theodizee erkunden, indem ein Trilemma vorgelegt wurde, d.h. eine dreigliedrige Aussage, deren<br />
Elemente logisch nicht zu vereinen sind:<br />
Welcher Auffassung stehen Sie am nächsten?<br />
Es gibt extrem Negatives/Böses in der Welt: Elend, Verbrechen, Krieg und Holocaust.<br />
Gott existiert und er ist allwissend und allmächtig.<br />
Gott ist moralisch vollkommen und gütig