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Menschenbilder - Jochen Fahrenberg

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158 <strong>Menschenbilder</strong>: Psychologische, biologische, interkulturelle und religiöse Ansichten ( J. <strong>Fahrenberg</strong>, 2007)<br />

Gehirn und Bewusstsein aus der Sicht von 563 Studierenden der Psychologie<br />

Welcher Auffassung stehen Sie am nächsten?<br />

Es gibt nur ein Seinsprinzip, Materie (und Energie), zu denen auch biologische Systeme<br />

wie das Gehirn und dessen Funktionen gehören (Monismus).<br />

Es gibt nur ein Seinsprinzip, Materie (und Energie), zu denen auch biologische Systeme<br />

wie das Gehirn und dessen Funktionen gehören (Monismus). Die Bewusstseinsphänomene<br />

sind subjektive Begleiterscheinungen der Neurophysiologie, also Innenansichten,<br />

die keine eigenen Wirkungen ausüben (Epiphänomenalismus).<br />

Es gibt zwei Seinsprinzipien, die Materie und das Bewusstsein (das Geistig-Seelische).<br />

Das Bewusstsein kann nicht auf neurophysiologische Prozesse reduziert werden. Bewusstsein<br />

und neurophysiologische Prozesse können aufeinander einwirken (Dualismus<br />

und psycho-physische Kausalität).<br />

Es gibt zwei Seinsprinzipien, die Materie und das Bewusstsein (das Geistig-Seelische).<br />

Das Bewusstsein kann nicht auf neurophysiologische Prozesse reduziert werden. Bewusstsein<br />

und neurophysiologische Prozesse sind zwei verschiedene Aspekte der neuropsychischen<br />

Hirnfunktionen (Dualismus und Doppel-Aspekt-Lehre).<br />

Die Frage, ob es ein oder zwei Seinsprinzipien gibt, bleibt als metaphysische Frage<br />

offen. Bewusstseinserfahrungen und Neurophysiologie sind zwei einander ergänzende<br />

(komplementäre) Beschreibungsweisen der Hirnfunktionen.<br />

Zustimmung<br />

Prozent<br />

3<br />

Auffassungen des Gehirn-Bewusstsein-Problems<br />

In der europäischen und in der außereuropäischen Philosophie sind unüberschaubar viele „Lösungsversuche“<br />

und Varianten entwickelt worden. In diesem Prozess und im Wechsel der Auffassungen<br />

spiegeln sich auch aktuelle Einflüsse (Computerwissenschaft, Gehirnforschung, Primatenforschung<br />

u.a.) sowie politisch-weltanschauliche Entwicklungen wider, z.B. der Niedergang des Dialektischen<br />

Materialismus (Marxismus) als Weltanschauung. Die Antworten betreffen – über die Philosophie und<br />

Naturforschung hinaus – auch fundamentale Züge des psychologischen Menschenbildes.<br />

Die unmittelbar einsichtige Unterscheidung zwischen körperlicher Welt und Bewusstsein hat viele<br />

Denker bewogen, einen ontologischen Dualismus zu postulieren: Körper und Geist, Gehirn und<br />

Bewusstsein. Beide Seinsbereiche stehen untereinander in Wechselwirkung (Descartes) oder existieren<br />

in einem strikt parallelen und synchronen Ablauf (Leibniz). Der Katechismus spricht zwar von einer<br />

Leib-Seele-Einheit, betont aber mit der unsterblichen Seele zugleich den Dualismus.<br />

Der ontologische Dualismus hat anscheinend zwei Vorzüge. Diese Position stimmt mit der naiven<br />

Alltagserfahrung überein, das eigene Verhalten steuern zu können, und sie entspricht dem in der<br />

Wissenschaftstheorie weithin akzeptierten methodologischen Dualismus von Natur- und Geisteswissenschaften<br />

mit ihren völlig verschiedenen Arbeitsmethoden. Dualisten nehmen zwei eigengesetzliche<br />

Seinsweisen an; einige behaupten deswegen auch zwei substanziell gedachte Träger dieser Eigenschaften,<br />

andere nur zwei Klassen von Eigenschaften, die nicht aufeinander reduziert werden können.<br />

Auch dieser Eigenschafts-Dualismus macht eine einheitliche Theorie, wie sie in der Physik angestrebt<br />

wird, unmöglich, denn wissenschaftsmethodisch wäre in zwei kategorial grundverschieden aufgebauten<br />

Bezugssystemen zu denken. Die subjektive Perspektive (der „ersten Person“) ist fundamental verschieden<br />

von der objektiven Perspektive (der „dritten Person“ des Beobachters). In der Regel behaupten<br />

Dualisten eine Wechselwirkung zwischen Bewusstsein (Geist) und Hirnphysiologie. Wer von dieser<br />

psycho-physischen Kausalität überzeugt ist, wird sich gegen die grundsätzlichen Einwände aus der<br />

Physik verteidigen müssen.<br />

Eine verbreitete Variante des Dualismus ist der Epiphänomenalismus: die Eigenart der Bewusstseinsprozesse<br />

wird nicht bestritten, sie bilden jedoch nur ein Randphänomen, d.h. eine Begleitung der<br />

neurophysikalischen Prozesse, ohne eigenen Einfluss auf diese. Im Monismus wird eine Einheit von<br />

Gehirn und Bewusstsein angenommen. Nach der Auffassung des Physikalismus (Naturalismus) bilden<br />

die neurophysiologischen Funktionen ein letztlich nach den Gesetzen der Physik arbeitendes deterministisches<br />

System. Reduktion heißt hier: Sätze über mentale Hirnfunktionen werden durch Sätze über<br />

neuronale Hirnfunktionen ersetzt oder sie werden aus diesen abgeleitet. Neuere Richtungen dieses<br />

4<br />

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