Menschenbilder - Jochen Fahrenberg
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48 <strong>Menschenbilder</strong>: Psychologische, biologische, interkulturelle und religiöse Ansichten ( J. <strong>Fahrenberg</strong>, 2007)<br />
Walden Two (1948) ist eine Gesellschaftsutopie, die in einer abgeschlossenen pädagogischen<br />
Provinz spielt. Das Buch knüpft teilweise an die Ideen von Henry David Thoreaus Buch Walden. Or<br />
life in the Woods (1854) an. Der Besucher lernt eine kleine Gemeinschaft kennen, die nach den Erkenntnissen<br />
der Verhaltensforschung lebt. Der Alltag wird mit relativ freier und sehr fürsorglicher<br />
Erziehung der Kinder, Vermeidung extremer Frustrationen oder heftiger Emotionen gestaltet. Die<br />
Regeln werden in demokratischer Mitbestimmung nach dem Prinzip wechselseitiger Kontrolle gemeinsam<br />
abgesprochen. Ein charakteristisches Beispiel: Die Tätigkeiten in dieser Kommune werden<br />
mit Arbeitspunkten vergütet. Im Unterschied zur herkömmlichen Gesellschaft erhält hier derjenige,<br />
der die unangenehmste Arbeit zu tun hat, die meisten Punkte, je angenehmer und angesehener eine<br />
Arbeit ist, Führungspositionen, Lehrtätigkeit und dgl., desto geringer wird sie vergütet.<br />
Zu den allgemeinen Grundsätzen seines Programms psychologischer Reformen gehören:<br />
1. Arbeiten Sie an einer Lebensform, die es den Menschen ermöglicht, ohne Streit miteinander zu<br />
leben, in einer Atmosphäre, die durch Vertrauen und nicht durch Verdacht, durch Liebe eher als<br />
durch Eifersucht, durch ein Miteinander und nicht durch ein Gegeneinander bestimmt wird!<br />
2. Festigen Sie diese Welt mit Hilfe sanfter, aber eindringlicher ethischer Sanktionen, nicht durch<br />
politische oder militärische Gewalt!<br />
3. Übertragen Sie diese neue Lebensform durch vorbildliche Kinder-Fürsorge und durchgreifende<br />
erzieherische Methoden wirksam auf andere Menschen!<br />
4. Reduzieren Sie Arbeit aus Zwang auf ein Minimum, indem Sie Bedingungen schaffen, unter denen<br />
es Menschen Freude macht zu arbeiten!<br />
5. Es gibt keine Formen, die unwandelbar sind. Veränderungen können wiederum verändert werden.<br />
Akzeptieren Sie keine ewige Wahrheit, experimentieren Sie!“ (Walden Two, 2002). 10<br />
Walden Two hat in den USA nicht wenige Menschen beeinflusst und einige sogar motiviert, Kommunen<br />
zu gründen, um neue Formen des menschlichen Zusammenlebens zu versuchen. Im Rückblick auf<br />
die erste Auflage dieses Romans schreibt Skinner:<br />
„Das Buch wäre natürlich anders geworden, wenn ich es heute schreiben würde. Die Erziehungsmethoden<br />
würden andere sein. Es gäbe programmiertes Lehrmaterial, das die Lernbereitschaft der Schüler<br />
und Studenten kontinuierlich anregt. Die Anreize für produktive Arbeit wären sehr viel ausführlicher<br />
behandelt worden. Ich hatte den marxistischen Grundsatz kritiklos übernommen, demzufolge ein<br />
Bürger selbstverständlich für das Allgemeinwohl arbeitet. Aber es bedarf ausgearbeiteter Methoden,<br />
die den Arbeitseifer ständig anregen, um von dem einzelnen zu erhalten, was seinen Fähigkeiten entspricht.<br />
Ich würde abweichende Verhaltensweisen stärker berücksichtigen und auch die Möglichkeit<br />
einbeziehen, dass einige Mitglieder der Gemeinschaft ein 'Problem' sein können und einer besonderen<br />
Behandlung bedürfen.“ 11<br />
Wirkung<br />
Aus heutiger Sicht ist Skinner vielleicht der bedeutendste Forscher der Lernpsychologie und Verhaltenstheorie,<br />
ein weit herausragender origineller Wissenschaftler. Im Jahr 1970 berichtete die Zeitschrift<br />
American Psychologist aufgrund einer Umfrage, dass Skinner – nach Freud – der bedeutendste<br />
Einfluss auf die Psychologie des 20. Jahrhunderts zugeschrieben wurde, und 1989 wusste Skinner,<br />
dass er in der psychologischen Literatur häufiger als Freud zitiert wurde, natürlich nicht nur zustimmend,<br />
sondern oft ablehnend, das war bei Freud nicht anders.<br />
Viele andere Psychologen und ein großer Teil der Öffentlichkeit sahen in ihm einen seelenlosen<br />
Wissenschaftler, der in seiner – abschätzig so bezeichneten – „Rattenpsychologie“ den Unterschied<br />
zwischen Mensch und Tier einebnet, und den Menschen durch seine Ideen über Verhaltenstechnologie<br />
herabwürdigt. Wenn Skinner die Annahme einer handlungssteuernden, inneren und autonomen Instanz<br />
und die Annahme der Willensfreiheit als Irrtümer bezeichnet, negiert er Kernbegriffen des kulturellen<br />
Selbstverständnisses. Dies war schwer erträglich und führte über die sachliche Kritik an seinen Verallgemeinerungen<br />
zu demagogischen Angriffen, die an Skinners Absichten vorbeiliefen: Es ginge ihm<br />
um die Auslöschung des Geistes, der die menschliche Existenz ausmache.