30.12.2012 Aufrufe

Menschenbilder - Jochen Fahrenberg

Menschenbilder - Jochen Fahrenberg

Menschenbilder - Jochen Fahrenberg

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

94 <strong>Menschenbilder</strong>: Psychologische, biologische, interkulturelle und religiöse Ansichten ( J. <strong>Fahrenberg</strong>, 2007)<br />

natürliche Einstellung zu dieser primären, vor-wissenschaftlichen, a-theoretischen Welt aufzudecken<br />

und in den phänomenologischen Untersuchungen zu nutzen. Kann diese Sichtweise zu einer philosophischen<br />

Wesensbestimmung des Menschen hinsichtlich Wahrnehmung, Persönlichkeit, Befindlichkeit<br />

und Leiblichkeit in der Einheit des Lebenszusammenhanges führen? Psychologen werden skeptisch<br />

bleiben, ob sich ein Mensch allein durch Reflexion von seinen Voreingenommenheiten, seinen<br />

z.T. unbewussten kulturellen Normen und Selbstverständlichkeiten befreien kann. Solche Aufklärung<br />

ist eher durch kritische Analysen auf der Grundlage empirischer Forschung zu erwarten.<br />

Die gesellschaftspolitische Perspektive<br />

Die sozialwissenschaftliche Sicht auf dem Menschen kann sich zu einer politisch-pädagogischen Einstellung<br />

und zu Reformideen steigern, indem die weitgehende Formbarkeit des Menschen durch<br />

Erziehung postuliert wird. Solche Reformprogramme tendieren dazu, die wichtige Rolle individueller<br />

Unterschiede und das Streben nach Selbstbestimmung zu unterschätzen. Der Glaube an die Formbarkeit<br />

erlangt dann eine maßgebliche Wirkung, wenn er sich mit einem politischen Programm oder einer<br />

Utopie verbindet. Am einflussreichsten war international das Menschenbild des Marxismus.<br />

Das Menschenbild des Marxismus-Leninismus ist in der Definition der sozialistischen Persönlichkeit<br />

ausgedrückt: „Sozialistische Persönlichkeit ist das sich im Prozess der gesellschaftlichen Arbeit<br />

selbst gestaltende und entwickelnde Individuum, das unter der Führung der marxistischleninistischen<br />

Partei in Gemeinschaft mit anderen Menschen seinen Lebensprozess in ständig wachsendem<br />

Maße unter Kontrolle nimmt und in diesem Prozess seine individuellen Fähigkeiten, seine<br />

produktiven Kräfte immer allseitiger entfaltet.“ 1 In der Praxis dieses gesellschaftlichen Erziehungsprozesses<br />

zählte weithin nicht der einzelne Mensch mit seinen Hoffnungen auf individuelle Freiheit<br />

und Gerechtigkeit, sondern der abstrakte Fortschritt der Menschheit.<br />

Außer dem Menschenbild des Marxismus-Leninismus können als gesellschaftspolitische Perspektiven<br />

die typischen <strong>Menschenbilder</strong> von liberalen, sozialdemokratischen, christlich-sozialen und<br />

national-konservativen Parteien zitiert werden. Erwähnenswert sind die <strong>Menschenbilder</strong> des sog.<br />

postmodernen Denkens, die kommunitarische Auffassung mit der Sorge um die Entsolidarisierung des<br />

Zusammenlebens, oder andere politisch-gesellschaftliche Ansichten. Auch für die Friedensbewegung<br />

und die ökologische Bewegung sind bestimmte Annahmen über den Menschen charakteristisch. An<br />

dieser Stelle sind außerdem die verbreiteten und in der Regel diskriminierenden Behauptungen über<br />

das Wesen der Frau zu nennen oder die aus der neueren Gender-Forschung entstehenden <strong>Menschenbilder</strong><br />

von Frau und Mann. – Nur zwei dieser politisch orientierten <strong>Menschenbilder</strong> werden hervorgehoben.<br />

Ein nationalistisches und ethnozentrisches Menschenbild ist u.a. in dem Parteiprogramm der Nationaldemokratischen<br />

Partei Deutschlands NPD enthalten. Als Grundgedanke wird vorangestellt:<br />

„Wir Nationaldemokraten stehen mit aller Konsequenz gegen die verstaubten Ideologien vergangener<br />

Jahrhunderte, gegen Aufklärungsutopien und gegen multiethnische Exzesse, denen derzeitig das<br />

deutsche Volk ausgesetzt ist. Wir stehen mit einem lebensrichtigen Menschenbild gegen Fremdherrschaft<br />

und Fremdbestimmung, gegen Überfremdung, Ausbeutung und Unterdrückung, für deutsche<br />

Freiheit, für Freiheit der Völker, für eine soziale Neuordnung in Deutschland, die unserem Menschenbild<br />

entspricht.<br />

Volkstum und Kultur sind die Grundlagen für die Würde des Menschen. Deswegen trägt der<br />

Staat, dessen Aufgabe der Schutz der Menschenwürde ist, Verantwortung für das Volk. Die Völker<br />

sind die Träger der Kulturen. Völker unterscheiden sich durch Sprache, Herkunft, geschichtliche Erfahrung,<br />

Religion, Wertvorstellungen und ihr Bewusstsein. Ihrer kulturellen Eigenart werden sich die<br />

Völker besonders dann und dort bewusst, wo diese gefährdet ist. Die Erhaltung der Völker dient der<br />

Erhaltung der Kultur. Bloße Gesellschaften entwickeln keine Kultur, sondern bestenfalls eine Zivilisation,<br />

deren höchster Wert materiell ist. ‚Multikulturelle’ Gesellschaften sind in Wirklichkeit kulturlose<br />

Gesellschaften. Die Vielfalt der Völker muß erhalten bleiben.“ (www.npd.net/)

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!