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Menschenbilder - Jochen Fahrenberg

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150 <strong>Menschenbilder</strong>: Psychologische, biologische, interkulturelle und religiöse Ansichten ( J. <strong>Fahrenberg</strong>, 2007)<br />

18 Bestimmung des Menschen durch Gottes-Glauben, unsterbliche<br />

Seele und freien Willen?<br />

Drei Grundüberzeugungen<br />

Die von Immanuel Kant gestellten Grundfragen zur Bestimmung des Menschen lauten: Was kann ich<br />

wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Ähnlich steht es auch im Weltkatechismus, und diese<br />

Fragen sind in allen Kulturen gestellt und sehr unterschiedlich beantwortet worden. In der westlichen<br />

Welt verdichten sich diese Überlegungen – wie auch Kant darlegte – zu drei fundamentalen Prinzipien:<br />

erstens, Gott als Schöpfer; zweitens, die unsterbliche Seele des Menschen und, drittens, die Willensfreiheit,<br />

moralisch handeln zu können.<br />

In tiefgründigen Analysen hatte Kant gezeigt, dass die von Theologen und Philosophen entwickelten<br />

Vernunftbeweise für das Dasein Gottes und für die Unsterblichkeit der Seele völlig unhaltbar<br />

sind. Sie beruhen – wie die Kritik der reinen Vernunft zeigt – auf logischen Fehlern, Zirkelschlüssen,<br />

Begriffsverwechslungen. Nach dieser Zerstörung aller zeitgenössischen spekulativen Metaphysik hätte<br />

Kant sich auf die von ihm zitierte Schlussfolgerung des Protagoras zurückziehen können, die diesen,<br />

zweitausend Jahre zuvor, aus Athen ins Exil zwang,: „Von den Göttern vermag ich nicht zu erkennen,<br />

ob sie existieren oder nicht und wie sie gestaltet sind.“ 1 Doch Kant folgte nicht dieser Linie des Agnostizismus,<br />

d.h. Behauptungen über die Existenz oder die Nicht-Existenz Gottes als unzulässige<br />

Grenzüberschreitung abzulehnen und das Nichtwissen zu bekennen.<br />

Auf seinem Weg, die Grenzen der menschlichen Vernunft zu erkennen, wird Kant zwar zum Zerstörer<br />

der spekulativen Metaphysik, aber er ist nicht der „Alleszermalmer“ wie er u.a. von Moses<br />

Mendelssohn verstanden wurde. Einerseits verzichtet er darauf, grundlegende metaphysische Wahrheiten<br />

über Gott und Seele zu postulieren, andererseits behauptet er, die Vernunft selbst schaffe sich<br />

diese Ideen. Diese richten „den Verstand auf ein gewisses Ziel“, zwar außerhalb der Grenzen möglicher<br />

Erfahrung, aber unerlässlich, um eine Einheit des Denkens und des Handelns herzustellen. „Das<br />

Ideal des höchsten Wesens ist nach diesen Betrachtungen nichts anders, als ein regulatives Prinzip<br />

der Vernunft, alle Verbindung in der Welt so anzusehen, als ob sie aus einer allgenugsamen notwendigen<br />

Ursache entspränge, um darauf die Regel einer systematischen und nach allgemeinen Gesetzen<br />

notwendigen Einheit in der Erklärung derselben zu gründen, und ist nicht eine Behauptung einer an<br />

sich notwendigen Existenz.“ 2 Und das Bewusstsein der eigenen Willensfreiheit, trotz der kausalen<br />

Naturbedingtheiten, sei die notwendige (vernünftige) Voraussetzung, nach moralischen Gesetzen handeln<br />

zu können.<br />

Wegen ihrer fundamentalen Bedeutung für das Menschenbild werden drei Kernthemen aufgenommen,<br />

wobei die Diskussion heute z.T. in andere Richtungen geht oder andere Ausschnitte der<br />

überdauernden Kontroversen hervorhebt:<br />

– die Existenz Gottes bzw. der Zweifel an der Gerechtigkeit (und Existenz) Gottes,<br />

– das umstrittene Leib-Seele-Problem,<br />

– die zweifelhafte Willensfreiheit.<br />

Alle Diskussionen sind schwierig, denn Gott, Seele und Willensfreiheit sind begrifflich kaum zu definieren.<br />

Die lange Tradition dieser philosophischen Auseinandersetzungen erschwert die Verständigung<br />

außerordentlich. Alle Begriffe sind mehrdeutig, es sind aufgrund der vorausgegangenen Kontroversen<br />

„belastete Begriffe“, deren Begriffsnuancen oft bereits Vorentscheidungen in die Diskussion<br />

hineinbringen.<br />

Gottgläubigkeit<br />

Für den Gläubigen ist Gott das Fundament der menschlichen Existenz, als Schöpfergott und – im<br />

Christentum – als der persönliche Gott, der dem einzelnen Menschen zugewandt ist, und sich offenbart<br />

hat. Die Gegenwart Gottes ist die allgemeinste Glaubenswahrheit der christlichen Lehre. Gottes Wirken<br />

ist erfahrbar, er kann Gebete erhören und Hilfe gewähren. Seine Existenz ist jedoch jenseits des-

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