Der Schiedsspruch des C. Helvidius Priscus - Heinrich Graf ...
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Universität Salzburg <strong>Der</strong> <strong>Schiedsspruch</strong> <strong>des</strong> C. <strong>Helvidius</strong> <strong>Priscus</strong><br />
Nach den Digesten war jemand nur befugt, als actor einer Gemeinde zu prozessieren,<br />
wenn er dazu nach dem jeweiligen Gemeindegesetz ermächtigt war oder mangels einer<br />
solchen Regelung vom Gemeinderat in Anwesenheit von zwei Dritteln der Mitglieder<br />
bestellt wurde: 443<br />
Nulli permittitur nomine civitatis vel curiae experiri<br />
nisi ei, cui lex permittit, aut lege cessante ordo<br />
dedit, cum duae partes a<strong>des</strong>sent aut amplius<br />
quam duae.<br />
Niemandem ist es erlaubt, im Namen einer<br />
Gemeinde oder eines Gemeinderates zu klagen<br />
außer demjenigen, dem das Gesetz dies erlaubt<br />
oder, wenn das Gesetz schweigt, den der<br />
Gemeinderat bestellt hat, wenn zwei Drittel<br />
anwesend waren oder mehr.<br />
Im Einklang damit sieht auch das flavische Stadtgesetz von Irni (die sogenannte<br />
lex Irnitana) vor, dass die Prozessvertreter der Gemeinde Irni von den Mitgliedern <strong>des</strong><br />
Gemeinderats bei Anwesenheit von zwei Dritteln der Mitglieder bestellt wurden. Die Wahl<br />
musste allerdings auch den – leider nicht bekannten – Vorgaben <strong>des</strong> Ediktes <strong>des</strong><br />
Provinzvorstehers entsprechen. 444<br />
Nach den Digesten durfte derjenige, der gewählt wurde, bei der Wahl auch mitstimmen: 445<br />
Plane ut duae partes decurionum adfuerint, is<br />
quoque quem decernent numerari potest.<br />
Wenn zwei Drittel der Mitglieder anwesend waren,<br />
kann jedenfalls der, den sie wählen, mitgezählt<br />
werden.<br />
Dies deutet zwar nicht zwingend darauf hin, dass ein actor aus dem Kreis der<br />
Gemeinderatsmitglieder gewählt werden musste, sondern behandelt lediglich einen<br />
solchen Fall. 446 Die ausdrückliche Behandlung spricht aber dafür, dass dies häufig der Fall<br />
gewesen sein musste und dass in der Regel Personen aus dem Kreis der<br />
Gemeinderatsmitglieder für diese Funktion ausgewählt wurden. <strong>Der</strong> Gemeinderat einer<br />
Stadtgemeinde umfasste typischerweise hundert Mitglieder der städtischen Oberschicht,<br />
443 D. 3,4,3; vgl. Okko Behrends u.a. (Hrsg.), Corpus Iuris Civilis - Text und Übersetzung, Band II,<br />
Heidelberg 1995, 306.<br />
444 Kapitel LXX, Julián González, The lex Irnitana: A New Flavian Municipal Law, Journal of Roman<br />
Studies, 76 (1986), 170 f, 192.<br />
445 D. 3,4,4; vgl. Okko Behrends u.a. (Hrsg.), Corpus Iuris Civilis - Text und Übersetzung, Band II,<br />
Heidelberg 1995, 306.<br />
446 Vgl. Alexander Weiß, Sklave der Stadt: Untersuchungen zur öffentlichen Sklaverei in den<br />
Städten <strong>des</strong> Römischen Reiches, Stuttgart 2004, 67.<br />
Rainer Lukits 124