Der Schiedsspruch des C. Helvidius Priscus - Heinrich Graf ...
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Universität Salzburg <strong>Der</strong> <strong>Schiedsspruch</strong> <strong>des</strong> C. <strong>Helvidius</strong> <strong>Priscus</strong><br />
der Schriftrollen oder Kodizes aber nicht wesentlich. 662 Auch für die Verkleinerungsform<br />
libellus ist daher anzunehmen, dass der Beschreibstoff nur eine untergeordnete Rolle<br />
spielte. Nur bezeichnete libellus wohl in der Regel Schriftstücke geringeren Ausmaßes<br />
oder nicht literarischen Inhalts, welche noch nicht der Auffassung von einem Buch (liber)<br />
entsprachen. Etwa wird in einer Digestenstelle hinsichtlich der Bekanntgabe von<br />
Rechnungen offensichtlich die Übergabe einer Abschrift (libellus) der verlangten<br />
Rechnungen der Vorlage <strong>des</strong> gesamten Rechnungsbuches gegenübergestellt: 663<br />
Edi autem est vel dictare vel tradere libellum vel<br />
codicem proferre.<br />
Bekanntgeben aber heißt entweder diktieren, eine<br />
Abschrift übergeben oder das Rechnungsbuch<br />
vorlegen.<br />
Die Annahme einer Unterscheidung zwischen libellus als Schriftstück in Rollenform und<br />
codex in Heftform scheint hingegen nach Sinn und Formulierung der Digestenstelle nicht<br />
angebracht. <strong>Der</strong> Begriff libellus kann daher allgemein als Bezeichnung eines beliebigen<br />
Dokuments verstanden werden und gibt uns über die Beschaffenheit <strong>des</strong> Dokuments<br />
leider keine nähere Auskunft. 664<br />
Jedenfalls muss das entsprechende Schriftstück von der Gemeinde Histonium aufbewahrt<br />
worden sein, während es für Tillius Sassius nicht mehr zugänglich war. Schließlich wurde<br />
das Dokument von den Vertretern der Gemeinde Histonium nur auf Verlangen <strong>des</strong> Tillius<br />
Sassius vorgelegt (Z. 8-10). Wäre das Dokument für Tillius Sassius greifbar gewesen,<br />
hätte er es sicherlich einfach selbst vorgelegt. Es ist daher anzunehmen, dass die<br />
Urkunde im Archiv der Gemeinde Histonium aufbewahrt war, zumal wahrscheinlich in<br />
allen römischen Städten Munizipalarchive bestanden. 665 Die Masse der dort verwahrten<br />
Texte war vermutlich auf Holztafeln geschrieben, sodass dies natürlich auch für das<br />
vorgelegte Dokument in Frage kommt. 666 Nur längere Texte wurden bis ins 3. Jh. n. Chr.<br />
662 Vgl. Leopold Wenger, Die Quellen <strong>des</strong> römischen Rechts, Wien 1953, 90 FN 17.<br />
663 D. 2,13,6,7; vgl. Okko Behrends u.a. (Hrsg.), Corpus Iuris Civilis - Text und Übersetzung,<br />
Band II, Heidelberg 1995, 219-220; Herrmann Gottlieb Heumann, Heumanns Handlexikon zu den<br />
Quellen <strong>des</strong> römischen Rechts, 9. Auflage neu bearbeitet von Emil Seckel, Jena 1907, 73.<br />
664 Vgl. oben Kapitel 6.1.1.<br />
665 Filippo Coarelli/Adriano La Regina, Abruzzo – Molise, Rom 1984, 305: “il documento (libellus)<br />
depositato negli archivi del municipio di Histonium“; Luigi Murolo, Vasto, Territorio e città tra<br />
antichità e Medioevo, Vasto 1996, 24: “custodito nel archivio municipale di Histonium”.<br />
666 Werner Eck, Lateinische Epigraphik, in: Fritz <strong>Graf</strong> (Hrsg.), Einleitung in die lateinische<br />
Philologie, Stuttgart/Leipzig 1997, 95.<br />
Rainer Lukits 175