Der Schiedsspruch des C. Helvidius Priscus - Heinrich Graf ...
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Universität Salzburg <strong>Der</strong> <strong>Schiedsspruch</strong> <strong>des</strong> C. <strong>Helvidius</strong> <strong>Priscus</strong><br />
Auch die doppeldeutige Grenzstreitigkeit (controversia de finibus) in Ciceros Dialog „Über<br />
die Gesetze“ war im Rahmen dieses Wortspiels bereits von Sokrates durch Einschlagen<br />
von Grenzsteinen entschieden worden: 655<br />
Quintus: Quamnam igitur sententiam dicimus?<br />
Marcus: Requiri placere terminos quos Socrates<br />
pepigerit, iisque parere.<br />
Quintus: Welches Urteil sprechen wir also?<br />
Marcus: Dass man die Grenzsteine, die Sokrates<br />
eingeschlagen hat, wieder aufsuchen und sich nach<br />
ihnen richten soll.<br />
In der im <strong>Schiedsspruch</strong> wiedergegebenen Vorentscheidung <strong>des</strong> Jahres 19 n. Chr. wurde<br />
die Grenze insbesondere durch das Einschlagen von Pflöcken festgesetzt (Gallus<br />
terminaret, ut primum palum figeret, Z. 20-21; palum fixum esse a Gallo, Z. 30).<br />
Nach der bereits behandelten Inschrift CIL VI 1268 wurde die Grenze offensichtlich nach<br />
einer Absteckung mit Pflöcken (depalatio) durch den Richter in Folge von den Parteien<br />
durch Grenzsteine ersetzt: 656<br />
Hi termini XIX positi sunt ab Scriboniano et<br />
Pisone Frugi ex depalatione T. Flavi Vespasiani<br />
arbitri<br />
Diese 19 Grenzsteine wurden von Scribonianus und<br />
Piso Frugi nach der Absteckung mit Pflöcken durch<br />
den arbiter T. Flavius Vespasianus gesetzt<br />
Auch im leider schlecht erhaltenen <strong>Schiedsspruch</strong> <strong>des</strong> Ti. Crassius Firmus ist wiederholt<br />
und auch in der Einleitungsformel von Pflöcken (pali) die Rede, sodass zu vermuten ist,<br />
dass auch dort die Grenze mit Hilfe von Pflöcken festgesetzt wurde. 657<br />
Es scheint daher in Schiedsverfahren über Grenzstreitigkeiten üblich gewesen zu sein,<br />
die Grenzen auch durch das Anbringen von Pflöcken oder Grenzsteinen festzulegen. Es<br />
ist daher insbesondere mit Blick auf die in den Digesten gebrauchte Wendung<br />
„sententiam dixit [...] et terminos posuit“ verwunderlich, dass ein Hinweis auf eine solche<br />
faktische Grenzziehung nicht in der Einleitungsformel <strong>des</strong> gegenständlichen<br />
<strong>Schiedsspruch</strong>s enthalten ist.<br />
655 M. Tullius Cicero, De legibus I, XXI/56, Text nach Georges de Plinval, Cicéron, Traité <strong>des</strong> lois,<br />
Paris 1959, 32; Übersetzung durch den Verfasser.<br />
656 CIL VI 1268, siehe oben Kapitel 7.2.3.4.<br />
657 Vincenzo Arangio-Ruiz/Giovanni Pugliese Carratelli, Tabulae Herculanenses V, La parola del<br />
passato, 10 (1955), 453-454.<br />
Rainer Lukits 170