Der Schiedsspruch des C. Helvidius Priscus - Heinrich Graf ...
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Universität Salzburg <strong>Der</strong> <strong>Schiedsspruch</strong> <strong>des</strong> C. <strong>Helvidius</strong> <strong>Priscus</strong><br />
essent exhibiti, cum eos legisset, doctior et melior<br />
futurus esset.<br />
Student irgendeiner Wissenschaft behaupten, ein<br />
Interesse an der Vorlegung dieser oder jener Bücher<br />
zu haben, weil er, würden sie vorgelegt, durch ihre<br />
Lektüre klüger und besser werden würde.<br />
Kernaussage dieser Digestenstelle ist jedenfalls, dass nicht je<strong>des</strong> beliebige Interesse<br />
ausreichend sei, um eine Vorlegungsklage anzustellen, sondern im Sinne der<br />
Digestenstelle D. 10,4,3,11 nur ein solches auf Basis eines „rechtlichen und<br />
anerkennenswerten Grun<strong>des</strong>“ (iusta et probabilis causa). Um darzustellen, dass nicht<br />
je<strong>des</strong> Interesse ausreichen könne, bedient sich der Verfasser <strong>des</strong> absurden Beispiels <strong>des</strong><br />
bloß wissenschaftlich interessierten Studenten. Es kann daher im Anlassfall nicht gegen<br />
den Gegner (adversarius) auf Vorlage seiner Rechnungen geklagt werden, nur weil der<br />
Betreffende großes Interesse an deren Vorlage habe. Dass damit die Klage auf Vorlage<br />
von Beweisurkunden gegen einen Prozessgegner allgemein ausgeschlossen sei, kann<br />
jedoch nicht ohne Weiteres gefolgert werden. 724 Zum Ersten ist nicht eindeutig, ob sich<br />
der verwendete Begriff adversarius (Gegner) juristisch auf einen Prozessgegner bezieht<br />
oder vielleicht lediglich auf einen Gegner im herkömmlichen Sinn. 725 Auch wenn sich der<br />
Begriff juristisch hauptsächlich auf den Prozessgegner beziehen mag, ist doch zu<br />
bedenken, dass es sich bei der behandelten Anfrage um einen aus dem Leben<br />
stammenden Anlassfall handelt, wie es für die Gutachtertätigkeit der klassischen<br />
Jurisprudenz typisch ist. Charakteristisch für die Fallbeispiele der klassischen Juristen ist<br />
auch, dass diese „etwa an seltenen Sonderfällen die Tragweite von Rechtsregeln oder die<br />
Zuordnung zu Rechtsinstituten“ darlegten. 726 Ein solches Beispiel für die Notwendigkeit<br />
der Einschränkung der Klagslegitimation auf ein rechtliches und anerkennenswertes<br />
Interesse mag daher der Gegner im herkömmlichen Sinn gewesen sein, der aus bloßer<br />
Neugier oder Böswilligkeit mithilfe der Vorlegungsklage an Dokumente seines<br />
Widersachers gelangen möchte. Das „große Interesse“ <strong>des</strong> Anfragenden an den<br />
Rechnungen seines Gegners kann in diesem Sinne ebensogut ironisch gemeint sein und<br />
ein ähnlich unberechtigtes Interesse beinhalten wie das folgende Beispiel <strong>des</strong> bloßen<br />
724 Vgl. Rainer Lukits, The Inscription of Campomarino – private arbitration in Roman times, in:<br />
Marianne Roth/Michael Geistlinger (Hrsg.), Yearbook on International Arbitration, Band II,<br />
Antwerpen u.a. 2012, 334 f.<br />
725 vgl. die Einträge zu „adversarius“ in Herrmann Gottlieb Heumann, Heumanns Handlexikon zu<br />
den Quellen <strong>des</strong> römischen Rechts, 9. Auflage neu bearbeitet von Emil Seckel, Jena 1907, 20;<br />
Josef M. Stowasser et al. (Hrsg.), Stowasser, Lateinisch-deutsches Schulwörterbuch, Wien u.a.<br />
1998, 16.<br />
726 Max Kaser/Rolf Knütel, Römisches Privatrecht, 18. Auflage, München 2005, 3.<br />
Rainer Lukits 191