Der Schiedsspruch des C. Helvidius Priscus - Heinrich Graf ...
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Universität Salzburg <strong>Der</strong> <strong>Schiedsspruch</strong> <strong>des</strong> C. <strong>Helvidius</strong> <strong>Priscus</strong><br />
8.2.2 Anwesenheit der Parteien<br />
Während in der heutigen Schiedsspraxis Schiedssprüche in aller Regel nur schriftlich<br />
erlassen werden, 307 wurden im römischen Rechtswesen Akte vorwiegend mündlich<br />
verkündet. 308 Dies erforderte grundsätzlich die Anwesenheit der betroffenen Parteien,<br />
damit diese den authentisch verkündeten <strong>Schiedsspruch</strong> auch zur Kenntnis nehmen<br />
konnten.<br />
Die Anwesenheit der Parteien bei Verkündung <strong>des</strong> <strong>Schiedsspruch</strong>s wird im<br />
Entscheidungskopf mit den Worten „utrisq(ue) praesentibus“ beurkundet (Z. 5-6). Dies<br />
entspricht der Digestenstelle D. 4,8,27,4, nach welcher Schiedssprüche grundsätzlich<br />
wirksam nur mündlich in Anwesenheit der Streitparteien erlassen werden konnten: 309<br />
[…] sententia quidem dicta non coram<br />
litigatoribus non valebit, nisi in compromissis hoc<br />
specialiter expressum sit, ut vel uno vel utroque<br />
absente sententia promatur.<br />
[…] Ein <strong>Schiedsspruch</strong>, der nicht in Anwesenheit der<br />
Streitparteien verkündet wurde, wird gewiss nicht<br />
wirksam sein, außer es wurde in der<br />
Schiedsvereinbarung dies ausdrücklich vereinbart,<br />
dass der <strong>Schiedsspruch</strong> bei Abwesenheit einer oder<br />
beider Parteien erlassen werden kann.<br />
Die Anwesenheit der Parteien bei Verkündung <strong>des</strong> <strong>Schiedsspruch</strong>s ist daher zwar<br />
grundsätzlich Gültigkeitsvoraussetzung eines <strong>Schiedsspruch</strong>s, allerdings kann von den<br />
Parteien abweichend vereinbart werden, dass eine oder sogar beide Parteien nicht<br />
anwesend sein müssen. Bezeichnend ist an dieser Stelle auch, dass für die mündliche<br />
Verkündung <strong>des</strong> <strong>Schiedsspruch</strong>s vor den Streitparteien das Verb dicere (reden,<br />
aussprechen, vortragen) gewählt wird, während für eine etwaige Erlassung <strong>des</strong><br />
<strong>Schiedsspruch</strong>s in Abwesenheit der Parteien das weniger spezifische Verb promere<br />
(herausgeben, erlassen) gewählt wird. Die geläufige Formel sententiam dicere bezieht<br />
sich also demnach höchstwahrscheinlich nur auf die mündliche Verkündung <strong>des</strong><br />
<strong>Schiedsspruch</strong>s. Auch kann aus dieser Unterscheidung darauf geschlossen werden, dass<br />
bei Abwesenheit einer oder beider Parteien der <strong>Schiedsspruch</strong> tatsächlich schriftlich<br />
erlassen wurde und nicht etwa der <strong>Schiedsspruch</strong> mündlich verkündet und den Parteien<br />
nur eine Abschrift <strong>des</strong> authentischen Spruches übermittelt wurde.<br />
307 Siehe etwa Art. 31 Abs. 1 UNCITRAL Model Law on International Commercial Arbitration<br />
(1985): “The award shall be made in writing […]”.<br />
308 Siehe etwa Leopold Wenger, Die Quellen <strong>des</strong> römischen Rechts, Wien 1953, 65.<br />
309 Text nach Okko Behrends u.a. (Hrsg.), Corpus Iuris Civilis - Text und Übersetzung, Band II,<br />
Heidelberg 1995, 447; Übersetzung durch den Verfasser.<br />
Rainer Lukits 90