Arthur Pfeifer Briefe aus Waldheim 1960–1976 - Freundeskreis ...
Arthur Pfeifer Briefe aus Waldheim 1960–1976 - Freundeskreis ...
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lichen Beschwerden des Alters war, sondern in gleichem Maße<br />
– und <strong>aus</strong> dem Zauber erwachsend – Redefigur, Stilmittel der<br />
Altersepistel, B<strong>aus</strong>tein für einen „spritzigen Brief“, der dem<br />
Schreiber bis zuletzt vorschwebte. Das groß entfaltete Bild<br />
der Hinfälligkeit machte es ihm möglich, um so eindrucksvol-<br />
ler den Alltag eines Virtuosen zu schildern, der eine beklagens-<br />
wert seltene Kunst <strong>aus</strong>übte: die Kunst der Menschenbehand-<br />
lung. Da war <strong>Arthur</strong> <strong>Pfeifer</strong> in seinem Element, da gab er sich<br />
die passenderen Namen. Er sah sich als „Ermittler“, als „Wei-<br />
chensteller“, als „Orakel von Delphi“; sein Türschild könnte<br />
lauten „,Auskunftei“ oder „Rat in Alltagsfragen“. Prinzen- oder<br />
Prinzessinnenerzieher in der Goethezeit gewesen zu sein, hat<br />
er sich gut vorstellen können. Nichts brachte den Lehrer so in<br />
Rage wie die Schreckensvision, die Erziehung geriete vollends<br />
in die Hände des „Erziehungsingenieurs“, der die Zöglinge mit<br />
der „Memorierramme“ traktiert. Am Fehlen des Erlebens schei-<br />
tere die Schule. „Man sollte immer daran denken“, mahnt er<br />
am 4. November 1963, „seelische Glanzlichter in die Gemüter<br />
zu setzen.“<br />
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<strong>Briefe</strong> <strong>aus</strong> <strong>Waldheim</strong>. Sie kamen nicht nur <strong>aus</strong> <strong>Waldheim</strong>, sie<br />
handelten von <strong>Waldheim</strong>, vom Dasein eines <strong>Waldheim</strong>ers, und<br />
<strong>Waldheim</strong> sorgte für die besondere Leuchtkraft der „Glanzlich-<br />
ter“, die <strong>Arthur</strong> <strong>Pfeifer</strong> in die Gemüter zu setzen bestrebt war.<br />
In Dresden geboren und auf das Lehrerseminar gegangen,<br />
war <strong>Arthur</strong> <strong>Pfeifer</strong> – nach kurzem Studium in Leipzig – 19o8<br />
Bürger von <strong>Waldheim</strong> geworden und hat die alte sächsische<br />
Stadt an der Zschopau nur unter Zwang während der natio-<br />
nal-sozialistischen Herrschaft vorübergehend verlassen. Bis zu<br />
seinem Tod 1976 wohnte er unterhalb des Wachbergturms am<br />
oberen Ende der Turmstraße; das H<strong>aus</strong> trägt heute eine Erin-<br />
nerungstafel.<br />
<strong>Waldheim</strong> wurde <strong>Arthur</strong> <strong>Pfeifer</strong>s Schicksal.<br />
Hier hat er seine Familie gegründet, mit seiner Frau zwei<br />
Kinder großgezogen, sein Lehramt <strong>aus</strong>geübt und 1914 das<br />
Buch „Technik der geistigen Arbeit“ verfaßt. Hier hat der er-<br />
fahrene Erzieher zur Zeit der Weimarer Republik an der säch-<br />
sischen Schulreform mitgewirkt und zwölf Jahre lang die städ-<br />
tische Volkshochschule geleitet. Von <strong>Waldheim</strong> <strong>aus</strong> brach er<br />
nach Holland, Frankreich, England, Österreich, in die Schweiz<br />
und die Tschechoslowakei auf, um mit der Autorität des streit-<br />
baren Pazifisten und der Kompetenz des Sprachkundigen an<br />
den Debatten des Internationalen Versöhnungsbundes teilzu-<br />
nehmen. Aus <strong>Waldheim</strong> wurde er von den Nazis vertrieben<br />
und nach Zschopau, später Oederan versetzt. Sein Sohn Hans<br />
mußte für zwei Jahre ins Zuchth<strong>aus</strong> <strong>Waldheim</strong>, weil er als Kom-<br />
munist die deutsche Übersetzung eines Artikels <strong>aus</strong> der eng-<br />
lischen Presse über die Hintergründe des Reichstagsbrandpro-<br />
zesses in der Stadt verteilt hatte. Nach <strong>Waldheim</strong> kehrte <strong>Arthur</strong><br />
<strong>Pfeifer</strong> im Mai 1945 zurück, wo ihm 1946 die Leitung der Volks-<br />
schule übertragen wurde.<br />
So gab es eigentlich keinen <strong>Waldheim</strong>er, der <strong>Arthur</strong> Pfei-<br />
fer nicht als Schüler, Kollege, Freund oder Gesprächspartner<br />
begegnet wäre. Er kannte die Lehrer, Ärzte, Unternehmer und<br />
Gewerbetreibenden von <strong>Waldheim</strong>. Er kannte den Buchhänd-<br />
ler, den Pfarrer, den Kantor, den Friedhofsgärtner. Auch küm-<br />
merte er sich um das geistige Erbe <strong>Waldheim</strong>s, vor allem um<br />
die <strong>Waldheim</strong>er Arbeiten Georg Kolbes, des großen deutschen<br />
Bildhauers, der <strong>aus</strong> der Stadt stammte und dem man hier neu-<br />
estens wieder die gebührende Beachtung schenkt.<br />
In einem weiteren Kreise kamen die Freunde <strong>aus</strong> der Zscho-<br />
pauer Verbannungszeit hinzu, Kurt Schumann und Helmut Sei-<br />
del, die er regelmäßig besuchte, sowie die Goethe-Freunde,<br />
mit denen er über die Weimarer Goethe-Gesellschaft verbunden<br />
war. Und in einem weitesten Zirkel verkehrte <strong>Arthur</strong> <strong>Pfeifer</strong> mit<br />
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