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Arthur Pfeifer Briefe aus Waldheim 1960–1976 - Freundeskreis ...

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1964 Moritzburger Karpfen<br />

entsprechend. Ich hüte nämlich noch eine kleine Menge älte-<br />

ren Papieres für solche Zwecke. Auf diese Idee kam ich schon<br />

vor Jahren. Und jetzt las ich in dem amerikanischen Buche über<br />

Buchpflege 17 , daß man das in den großen Bibliotheken – British<br />

Museum und amerikanische Bibliotheken – auch so macht. Es<br />

werden also die gleichen Erfindungen an verschiedenen Stellen<br />

unabhängig von einander gemacht.<br />

17. Oktober<br />

Daß keine Ostdeutschen in Mallorca anzutreffen sind, kann<br />

nicht auf die höhere moralische Qualität dieser Leute zurück-<br />

geführt werden. Ich wäre z.B. so verworfen, morgen dorthin zu<br />

reisen, wenn dazu die Möglichkeit bestünde. Die „Bescheiden-<br />

heit“ der Ostdeutschen – womit man wohl die Gewöhnung an<br />

Ärmlichkeit und Gehorsam etwas aufschmückend bezeichnet –<br />

ist doch ein Zwangsergebnis des finanziellen und politischen<br />

Druckes. Ganz abgesehen davon, daß man die 7500 westdeut-<br />

schen Touristen nicht als die Vertreter eines Volkes von 50 Mil-<br />

lionen ansehen darf. (Die 7500 sind nämlich ein und ein halber<br />

von 1000, also 0,15 %.) Vor 50–60 Jahren hatte man in frem-<br />

den Ländern von „den Deutschen“ durch<strong>aus</strong> nicht den besten<br />

Eindruck, weil damals ein größter Teil dieser Besucher von Pa-<br />

ris, Rom, Riviera, Venedig <strong>aus</strong> den Kreisen des viel Geld be-<br />

sitzenden Pöbels kam und sich dem entsprechend aufführte.<br />

Wer nach diesen Mustern die ganze Nation beurteilte, irrte sich<br />

gründlich. Mir sind noch Beispiele solcher Deutscher im Aus-<br />

lande im Gedächtnis. – Und den „bescheidenen Ostdeutschen“<br />

kann man beim Einsteigen in eine Elektrische, in einen Bus,<br />

an einer Theatergarderobe, in einer Lebensmittelschlange auch<br />

besser kennenlernen als wenn man – vielleicht als Mitglied ei-<br />

ner Delegation – herumgereicht wird.<br />

17 Harry Miller Lydenberg / John Archer, Über die Pflege und das Ausbessern von Bü-<br />

chern, Hamburg 1953.<br />

20. Oktober<br />

Ich möchte mal Antiquariate in Frankfurt, Nürnberg, München,<br />

Zürich, Mailand, Paris und London durchstöbern. Wie glücklich<br />

müssen die Leute sein, die ohne solche Wünsche leben!<br />

24. Oktober<br />

Meine Wachsamkeit auf Karpfen blieb die ganze Woche un-<br />

belohnt. In den Teichen von Moritzburg sollen viele gefangen<br />

worden sein. Aber ich glaube nicht, daß ich Großmutti zu einer<br />

Fahrt nach Moritzburg bewegen kann, obwohl sich das in einem<br />

Tage machen läßt: Bus nach Dresden, von da Bus nach Moritz-<br />

burg, wo man zeitig genug zum Essen ankommt. Dann Bummel<br />

durch den Wald, zurück nach Dresden und mit dem Abendbus<br />

wieder hierher. Nur weiß man nicht, ob Moritzburger Karpfen in<br />

Moritzburg zu haben sind, da die Waren doch oft auf den ver-<br />

schlungenen Handelswegen sonstwohin gebracht werden. Oder<br />

das Gasth<strong>aus</strong> hat gerade Ruhetag oder Betriebsferien oder wird<br />

renoviert, oder die Bestecks sind geklaut worden, oder eine<br />

Kontrollkommission macht Inventur. Jetzt weiß ich, warum auf<br />

der Olympiade das „Hindernislaufen“ geübt wird: das ist die al-<br />

lernötigste Kunst, da das Leben übervoll von Hindernissen ist!<br />

– Ich sag ja schon kein Wort mehr dazu!<br />

27. Oktober<br />

Heute kam das bestellte Buch von Hans Kayser, „Lehr-<br />

buch der Harmonik“, endlich an. Erschienen im Occident Ver-<br />

lag Zürich 1950, auf feinstes Papier gedruckt, mit echtem Per-<br />

gamentrücken, 38 cm hoch, 27 cm breit, 5 cm stark, 380 Seiten.<br />

Preis 162,80 Schweizer Franken. Es darf eigentlich nur im Bi-<br />

bliotheksraume gelesen werden, aber das Büchermädchen hier<br />

hat offenbar den Zettel gar nicht gesehen, auf dem das ver-<br />

merkt ist.<br />

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