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Arthur Pfeifer Briefe aus Waldheim 1960–1976 - Freundeskreis ...

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1960 Fragetechnik im Unterricht<br />

selustigste, wenns damit getan wäre. Aber wo ist der reine, le-<br />

bendige Sinn, der das Wahre und Schöne überall und unmittel-<br />

bar <strong>aus</strong> der Natur und dem Leben saugt? wo das innige, rege<br />

Gefühl, mit welchem der wahre Mensch das Wahre und Schöne<br />

sich vereigentumt? wo die hohe, göttliche Phantasie, beides<br />

aneinander zu verherrlichen und in unsterbliche Ideale zu ver-<br />

schmelzen? wo die Gabe, rein und klar wiederzugeben, was<br />

man so empfangen hat, und so warm, als es im eignen Her-<br />

zen lag, in ein fremdes zu legen? Verdampft, schon frühe im<br />

Schweiß der Schulen und später am harten toten Pult und un-<br />

ter dem Druck der Folianten und Schatzungsmonate, die auf<br />

uns liegen.“ 7<br />

Na, was sagst Du dazu? Das schreibt ein Zeitgenosse Goe-<br />

thes und Schillers. Und da solltest Du froh sein, daß in dieser<br />

sich durch Jahrhunderte ersteckenden Kulturwüste – Wüsten<br />

sind nicht nur Räume, sondern auch Zeiten – <strong>aus</strong>gerechnet Du<br />

erlesen bist, an einer Oase teil zu haben, die Stups heißt und<br />

das hat, was oben von Hebel vermißt wird, den reinen, leben-<br />

digen Sinn für das Wahre und Schöne – und all das, was in den<br />

folgenden Zeilen steht. Denke an die Schilderung des Krähen-<br />

fluges an der Nixkluft, um nur ein Beispiel zu nennen – das ist<br />

die „Gabe, rein und klar wiederzugeben, was man so empfan-<br />

gen hat“ – und da sollen uns die armen Schulnarren nun schon<br />

gar nicht irre machen.<br />

12. Februar<br />

Heute vormittag kam, von *** geschickt, so ein Lehrerprak-<br />

tikant zu mir, wie sie jetzt in den Schulen grasen, hospitieren,<br />

Stunden halten und Nöte haben. Er [...] ist <strong>aus</strong> <strong>Waldheim</strong>, wo er<br />

vor vielleicht ein, zwei Jahren <strong>aus</strong> der Lutherschule nach Leipzig<br />

7 Johann Peter Hebel, Werke und <strong>Briefe</strong>: Gedanken <strong>aus</strong> verschiedenen Schriften, 2,<br />

Leipzig 1943, S. 629.<br />

ging. Ihm macht die „Fragetechnik“ im Unterrichte Sorgen, und<br />

da wollte er sich mal belehren lassen. Na, das war für mich eine<br />

vergnügliche Stunde, in der ich einige Raketen steigen ließ,<br />

von denen er in Leipzig noch nichts gesehen hatte. Und es fie-<br />

len mir dabei manche hübsche Bilder ein, die ihn kapieren lie-<br />

ßen, worauf es ankommt. Ich erinnerte ihn an die elektrische<br />

Induktion: fließt in einer Spule ein noch so feiner Strom, dann<br />

wird eine benachbarte – ohne mit der Stromquelle verbunden<br />

zu sein – elektrisch erregt. Wenn nun der Lehrer die eine, die<br />

Klasse die andre Spule vorstellt, kann in der Klasse nur dann<br />

etwas vor sich gehen, wenn der Strom der Begeisterung durch<br />

den Lehrer fließt. Liest er also – innerlich ganz unbeteiligt – ein<br />

Lehrbuch vor, so erfolgt in der Klasse – nichts. Und dann wun-<br />

dert sich so ein Tölpel noch. – Auch der Hinweis, sich auf die<br />

eigene Schulzeit zu besinnen, sich der erfolgreichen und der<br />

erfolglosen Lehrer zu erinnern und nun im Hinblick auf den zu<br />

erlernenden Beruf sich zu fragen, warum man wohl des einen<br />

dankbar gedenkt und den andern verflucht und dar<strong>aus</strong> Leitli-<br />

nien für die eigene Arbeit zu entwickeln, auch dies war in Leip-<br />

zig nie erwähnt worden, obwohl es so nahe liegt und viel an-<br />

schaulicher ist als alle Methodik, die erst nach solcher Selbst-<br />

besinnung Aussicht hat, ernstlich beachtet zu werden. Beinahe<br />

hätte ich Lust, mich an so eine Lehrerbrutstätte zu melden –<br />

aber nein, man würde mich gar nicht nehmen.<br />

21. Februar<br />

Du wirst fragen, was ich zu arbeiten habe? Ja, am 5. März<br />

ist der Geburtstag der Zwillinge 8 ; nun hab ich durch den Um-<br />

zug und die darauffolgende faule Zeit sehr viel Zeit verloren –<br />

und jetzt muß etwas geschehen. Da fiel mir ein, daß die Kinder<br />

8 Frieder und Sibylle Strauß, Kinder von <strong>Arthur</strong> <strong>Pfeifer</strong>s Tochter Irene Strauß (1911–<br />

20 21<br />

1996).

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