Arthur Pfeifer Briefe aus Waldheim 1960–1976 - Freundeskreis ...

1975 Pferde in der Apotheke?
ten seien, breche ich diese lieber ab. Die Ärmlichkeit kenne ich
– neuere Bestätigung brauch ich nicht. Den Engländern ging
es auch besser, als sie noch in splendid isolation auf ihrer In-
sel hausten.
25. Juni
Ein Fehler liegt vor, wenn man versäumte, in den guten frü-
heren Zeiten die Kataloge aller großen Kunstsammlungen nach
und nach zu kaufen. Das wäre jetzt ein großer Schatz. Stelle
Dir vor, Du streckst nur die Hand aus und Du hast den Katalog
der Sammlungen des Louvre, des Vatikans, des Britischen Mu-
seums, der Berliner Sammlungen, der von Florenz, Wien, Zü-
rich, Basel, Eremitage bei Petersburg, Metropolitan-Museum in
New York und so weiter zu Deiner Verfügung! Ein Welt-Museum
im Hause! Man brauchte ein großes Regal, das alles aufzustel-
len, aber man wanderte ohne Mühe rund um die Welt und tief
in die Zeiten.
Gestern abend wurde durch einen Bericht über den Röhm-
Putsch 5 von 1934 sehr anschaulich klar, wie fragwürdig „Ge-
schichte“ ist. Zwei Tage nach jenem Ereignis – wobei in ver-
schiedenen Orten 1700 Menschen etwa ermordet worden sind
– befahl Göring, alle das Ereignis betreffenden Akten sofort zu
verbrennen, und er sorgte dafür, daß dies erfolgte! Wer soll
heute darüber noch etwas wissen! Zumal bereits damals Fal-
sches verbreitet wurde. Ob es sich um einen Entscheidungs-
kampf zwischen SS und SA handelte, ob man Wissende ausrot-
ten wollte – wer weiß, was wirklich war? Und da sich alles wie-
derholt, ist bei allen wichtigen Ereignissen die Unklarheit über
die Ursachen, die Begründungen, den Verlauf das einzige, das
5 Ernst Röhm (1887–1934), früher Vertrauter von Adolf Hitler, der diesem als Stabschef
der SA mit ihren 4,5 Millionen Mitgliedern zu mächtig wurde und den er wegen
angeblichen Putschversuchs erschießen ließ.
gewiß bleibt. Und der alle paar Jahrzehnte neu gebraute Brei
der „Überlieferung“ wird den Kindern bereits in Schulen in das
Gehirn gestrichen, teilweise von Leuten, die daran glauben! So-
bald die Glaubenssätze den neu auftretenden Machthabern un-
bequem werden, streicht man alles und erfindet Neues. Jedes
„Ereignis“ ist das Ergebnis von Willensentschließungen leben-
diger Menschen; und diese sind schwer zu durchleuchten.
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21. Juli
Eben war zu hören: „Der alte Mensch ist eine Belastung der
Gesellschaft“ – das mag stimmen, wenn es von den Betroffe-
nen auch nicht gern gehört wird. Und da wurde nun von den
Sportärzten den Alten empfohlen, Sport zu treiben, natürlich
nicht wild drauflos, sondern nach einer „eingehenden sport-
ärztlichen Untersuchung“. Da nun die alten Leute heute fast ein
Drittel der Bevölkerung betragen, ergibt sich daraus eine be-
achtliche Erhöhung der Zahl derer, die den Sportarzt aufsuchen.
Denn ohne diese Untersuchung besteht die Gefahr, daß der zu
Beratende eine falsche Sportart betreibt und sich selbst schä-
digt. (Wenn er etwa Briefmarken sammelt statt Fußball zu spie-
len!) Für den Reitsport muß der Sportarzt bestimmen, welche
Art von Pferd gerade dieser oder jener zu Behandelnde zu wäh-
len hat: der eine soll ein Pferd nehmen, das weich auftritt, der
andere im Gegenteil eins mit hartem Tritt. Du siehst, der Sport-
arzt ist weitsichtig. Denn er weiß genau, welches Tier gerade
der zu Untersuchende zu wählen hat. Von sich aus nimmt einer
vielleicht eins, das für ihn ganz ungeeignet ist. Das kann näm-
lich erst durch genaue Untersuchung der Bauch- und Rücken-
muskeln des künftigen Reiters vom Sportarzt gefunden wer-
den. Ob es die Pferde in der Apotheke gibt? Und wer bezahlt
das, sprach der König.