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Arthur Pfeifer Briefe aus Waldheim 1960–1976 - Freundeskreis ...

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den dankbar verehrten Lehrern und Anregern, mit dem Ethiker<br />

Friedrich Wilhelm Foerster und dessen Bruder, dem Gartenphi-<br />

losophen Karl Foerster, mit Hermann Hesse und den bewähr-<br />

ten Mitstreitern <strong>aus</strong> dem Internationalen Versöhnungsbund, der<br />

Lehrerin Gerda Baumann und dem Pfarrer Alfred Dedo Müller.<br />

Jedem stand es frei, geistige Freude und geistigen Gewinn<br />

<strong>aus</strong> dem Verkehr mit dem Mann von der Turmstraße zu ziehen.<br />

<strong>Arthur</strong> <strong>Pfeifer</strong> besaß die seltene Gabe, zwischen dem Heimat-<br />

lich-Regionalen und dem Globalen, zwischen <strong>Waldheim</strong> und der<br />

Welt zu vermitteln. Scherzhaft nimmt er es sogar mit dem Kos-<br />

mos auf, wenn er im Brief vom 17. September 1976 schreibt:<br />

„Im ,All‘ bin ich auch in meiner Stube.“<br />

6<br />

Charme und lebendige Dauer verdanken <strong>Arthur</strong> <strong>Pfeifer</strong>s<br />

<strong>Briefe</strong> dieser Kunst, zwischen <strong>Waldheim</strong> und der Welt zu ver-<br />

mitteln. Kein Ereignis war zu gering, als daß es nicht in sei-<br />

nen weitreichenden Folgen beobachtet werden konnte und es<br />

war gerade das H<strong>aus</strong>wirtschaftlich-Praktische, was den Philo-<br />

sophen her<strong>aus</strong>forderte.<br />

Viele Male entwarf er in Gedanken Bücher, meist Bilderbü-<br />

cher, die im <strong>Waldheim</strong>er Alltag die Welt aufscheinen lassen wür-<br />

den. „Weltgarten am Fenster“ könnte der Bericht von einer bo-<br />

tanischen Weltreise heißen, in dem alle als Zimmerpflanzen ge-<br />

pflegten Gewächse in ihrer heutigen Gärtnerzüchtung und an<br />

ihrem Heimatort abgebildet würden, etwa die Usambaraveil-<br />

chen, die in Ostafrika so üppig wachsen wie in Deutschland<br />

die Buschwindröschen. Denkbar wäre auch, in dieser Art die<br />

„Entwicklung einer Krokuspflanze“, das Phänomen der opti-<br />

schen Täuschungen, das Sonnenlicht oder den verborgenen Zu-<br />

sammenhang von Kristallbildung und Komposition von Musik<br />

zu behandeln. Einmal fotografierte <strong>Arthur</strong> <strong>Pfeifer</strong> die Aufzucht<br />

junger Amseln, deren Eltern sich an seinem Fenster eingenistet<br />

hatten, und dar<strong>aus</strong> entstand tatsächlich ein Büchlein für seine<br />

Enkel in Nürnberg.<br />

Ging es hier vom Kleinen ins Große, so galt umgekehrt das-<br />

selbe. Noch das Entfernteste sah er in die Nähe dringen und<br />

die alltäglichen Entschlüsse und Geschäfte prägen. „Sind wir<br />

ein Spiel von jedem Druck der Luft?“, pflegte <strong>Arthur</strong> <strong>Pfeifer</strong> mit<br />

F<strong>aus</strong>t zu fragen. Er spürte diesen Druck im Seelischen, Wirt-<br />

schaftlichen und Politischen ebenso wie im Atmosphärischen.<br />

Wer sich an <strong>Arthur</strong> <strong>Pfeifer</strong> um Auskunft wandte, mußte ge-<br />

wärtigen, die zur Rede stehende Sache gleich viel grundsätz-<br />

licher angepackt zu finden, als er selber das vielleicht gewollt<br />

hatte. Atombombenversuche, „Prager Frühling“, Mondlandung,<br />

Computertechnik, Europaunion oder Vietnamkrieg – immer sah<br />

<strong>Arthur</strong> <strong>Pfeifer</strong> Aspekte, die zu seiner Zeit kaum ins Bewußt-<br />

sein drangen. Wenn er seine Ansichten gern als die Privatmei-<br />

nungen eines kleinen Mannes <strong>aus</strong> der sächsischen Provinz be-<br />

zeichnete, dann zeigt sich heute, wie genau der empfindsame<br />

Mann auf die leisesten Schwankungen im Gleichgewicht der<br />

Welt reagierte.<br />

Wie er die Erschütterung von dem Erdbeben im 6oo km ent-<br />

fernten Triest wahrnahm, so spürte er die ungeahnten Konse-<br />

quenzen der technischen und politischen Erschütterungen – im<br />

Positiven wie im Negativen:<br />

Im Juni 1962 galt das für die Verseuchung der Atmosphäre<br />

durch die Atombombenversuche.<br />

Im November 1968 für die Aussichtslosigkeit der militäri-<br />

schen Aktion gegen die Freiheitsbestrebungen in Prag.<br />

Im Juli 1969 für die „ungeahnten Folgerungen“ <strong>aus</strong> der<br />

amerikanischen Mondlandung, einer Organisationsleistung,<br />

die sich auf das „Ziel eines friedlichen Zusammenlebens“ hätte<br />

richten können, aber doch nur eine Weltraumverschmutzung<br />

größten Stils einleitete.<br />

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