Arthur Pfeifer Briefe aus Waldheim 1960–1976 - Freundeskreis ...
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1965 Blumenbilder<br />
im kommenden Jahre einige Auswege zeigen. – Aber wie? Hier<br />
sucht das Rath<strong>aus</strong> jemand, der 24 Stunden die Woche Dienst<br />
im Referat „Volksbildung“ tue. Ich wollte mich schon – pecuniae<br />
c<strong>aus</strong>a [<strong>aus</strong> Geldgründen] – dazu melden, jedoch wer wird<br />
einen 82jährigen alten Mann, der nicht der Partei angehört,<br />
nicht „geschult“ ist in der vorgeschriebenen Lehre auf diesen<br />
Posten stellen? Das ist wohl von vornherein <strong>aus</strong>sichtslos, sich<br />
dazu zu melden. Trostlos, daß man zu nichts mehr wert ist,<br />
daß alle früheren Einnahmequellen – Vorträge, Zeitschriftenaufsätze,<br />
Unterricht – versiegt sind. Wozu bin ich dann überhaupt<br />
noch da? Das frage ich mich stündlich.<br />
Um nicht dauernd zermürbt zu werden, pinsle ich jetzt ein<br />
paar Blumenbilder für die kleine Karin in Nürnberg. […]<br />
Diese Nacht nahm ich – leider nur in einem Traume – seltsam<br />
schönes Geld für Euch ein: Ihr spieltet in einer alten Barockstadt<br />
und in der Barockzeit ein Konzert. Ich erhielt große<br />
Silbermünzen wundervollster Prägung, die eine oval, neun Zentimeter<br />
lang, fast 1 cm stark, mit Hochrelieffiguren und Elfenbeinschmuckteilen.<br />
Wir waren in Raum und Zeit in eine völlig<br />
andere Welt geraten. Ein großer Marmorengel mit wehendem<br />
Gewande stand auf dem Markte. Durch den Marmormantel<br />
schien gedämpft die Sonne. Aber dann war das Geld nicht mehr<br />
da, obwohl ich es doch in der Hand gehabt hatte und so froh<br />
war, das für Euch einzunehmen.<br />
25. November<br />
Als ich vorhin für Großmutti einen Abreißkalender besorgte,<br />
fragte ich Münch, für wieviel Stundenlohn ich bei ihm eingestellt<br />
werden könnte. „1,40 bis 1,50 DM“ – er schien das gar<br />
nicht ernst zu nehmen. Aber ich überlege das noch, täglich 4<br />
Stunden gäben im Monat etwa 150 M. Denn mehr wird man für<br />
„Arbeit“ nicht bekommen. Die armen Irren, die die Gräber auf<br />
dem Friedhofe schaufeln – eine sehr schwere Arbeit – bekommen<br />
auch nur 1,50 M in der Stunde.<br />
28. November<br />
Von meinen Blumenbildern sind jetzt zehn Blatt fertig.<br />
Diese Woche nehme ich diese mal mit nach Döbeln. Ich will<br />
Langner mal fragen, ob man diese verkaufen kann und zu wel-<br />
chen Preisen. Wenn das gelänge, hätten wir einen schönen<br />
Finanz<strong>aus</strong>gleich. Halte den Daumen! Denn eine solche Arbeit<br />
wäre mir lieber als Hefte zu verkaufen und Buntpapier. Also<br />
sorge, daß ich für meine Ware Absatz finde!!!<br />
7. Dezember<br />
Die Analphabeten hatten es doch gut, sich nicht um Stifte,<br />
Tinte, Papier, Umschläge sorgen zu müssen. Jeder sogenannte<br />
„Kulturfortschritt“ ist ein Weg in zunehmende Abhängigkeiten<br />
von Handwerkern, Fabriken, Händlern, Zöllnern, Politikern und<br />
wie das ganze Zeug heißt. – Nicht vergeß ich das hämisch grin-<br />
sende Gesicht dieses ekelhaften Busschaffners ***, als er ges-<br />
tern am Marienfels die Leute nötigte, durch den ganzen Wa-<br />
gen sich zu arbeiten, weil „hinten“ <strong>aus</strong>zusteigen sei. Dieses<br />
Gesicht, diese Fratze, hätte man photographieren sollen. Das<br />
sind Bilder, die man nicht vergißt und die für den Unterricht in<br />
Psychologie oder auch in einer Schule für Sch<strong>aus</strong>pieler äußerst<br />
wertvoll wären. Naturdokumente der Gemeinheit – nur lassen<br />
sie sich schwer aufnehmen. […]<br />
Die Lektüre alter Goethe-Jahrbücher bringt manches Verges-<br />
sene wieder in Erinnerung. Ich las gestern abend in dem von<br />
1923 einen Aufsatz 12 über eine Totenfeier für Goethe 1832 in<br />
Wien und über die erste dort veranstaltete F<strong>aus</strong>taufführung. Es<br />
ist empörend, wie Metternich damals mit seinen Censurskla-<br />
ven an Goetheschen Texten „korrigiert“ hat, daß ja kein Wort<br />
gegen „Pfaffen“ oder gegen die Regierung gesagt werde. Der<br />
12 Richard Ornstein, Goethes Totenfeier und der erste „F<strong>aus</strong>t“ in Wien. In: Jahrbuch<br />
der Goethe-Gesellschaft. Bd. 9, Weimar 1922, S. 88–107.<br />
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