Arthur Pfeifer Briefe aus Waldheim 1960–1976 - Freundeskreis ...
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1976 Der berühmte 17. Juni<br />
Großvater, der mit seinem Enkel einen alten Lehrer besucht,<br />
dessen er sich noch erinnert, <strong>aus</strong> der „Goldenen Zeit“, einige<br />
Jahre vor dem ersten Weltkriege. Gingen damals die Uhren<br />
langsamer? Lebten Kalender länger als jetzt? Wie lange dauerte<br />
es, bis wieder Weihnachten kam! Es ist ein Unterschied zwi-<br />
schen dem vom Gang der Sterne bestimmten Ablauf der Jahre<br />
und dem persönlichen Erleben der vergangenen Zeit.<br />
16. Juni<br />
Morgen ist der berühmte 17. Juni, der als Feiertag gilt zur<br />
Erinnerung der etwa 1953 versuchten Berliner „Befreiungsbe-<br />
wegung“ – allerdings beachtet dies nur der Westen, hier weiß<br />
man nichts davon.<br />
Nach einer Abbildung der einfachen Päonie werde ich for-<br />
schen. Diese Form ist die ursprüngliche, <strong>aus</strong> Mazedonien hier-<br />
her gekommene Ahne der heute üblichen gefüllten Formen. Die<br />
„gefüllten“ erlebten die Metamorphose, das heißt: Staubblätter<br />
wandelten sich in Blütenblätter um. Der Vorgang ist sehr schön<br />
an einer Blüte einer Teichrose zu betrachten; da kannst Du<br />
alle Übergangsstufen vom Staubblatt zum Blütenblatte in ei-<br />
ner Blüte finden. „Madame Charles Levesque“ heißt die weiße<br />
Paeonie. Züchte eine hellblaue und Du erntest ein Vermögen.<br />
Z.B. verkaufte etwa 1926 einer in Crimmitschau eine sehr dun-<br />
kelrote – fast schwarze – Rose für zehnt<strong>aus</strong>end Dollar an einen<br />
Amerikaner, der durch Vermehrung dieser Pflanze ein sehr gu-<br />
tes Geschäft machte. Das Geld liegt auf der Straße.<br />
24. Juni<br />
Das heiße Sommerwetter scheint sich auf eine gewisse<br />
Dauer einzurichten. Im Jahre 1911 war die Elbe in Dresden völ-<br />
lig <strong>aus</strong>getrocknet, man konnte trockenen Fußes die Flußrinne<br />
an jeder Stelle überschreiten. Auch in den neunziger Jahren er-<br />
lebte man das bereits einmal. Hoffentlich bleibt hier nicht eines<br />
Tages das Leitungswasser weg. Man hat zwar schon das Gie-<br />
ßen von Gärten verboten, aber wer richtet sich nach Vorschrif-<br />
ten, zumal wenn er fürchtet, daß seine Pflanzen verdorren. Da<br />
kommt immer mal jemand mit einer Gießkanne.<br />
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24. Juli<br />
Die rosa blühenden Winden wecken Erinnerungen an Kin-<br />
dertage. In Dresden gab es damals noch unbebaute Landstü-<br />
cke – Sandboden – auf denen gespielt wurde. Über die Hänge<br />
liefen viele Ranken der Ackerwinde, die ihre Blüten rasch<br />
schlossen, sobald Wolken die Sonne verhüllten. Sie zeigten<br />
das Wetter an.<br />
29. Juli<br />
Walther von der Vogelweide soll <strong>aus</strong> einem „Vogelweidhof“<br />
in Tirol stammen; er war zeitlebens ein „fahrender Sänger“ (al-<br />
lerdings ohne Auto oder Fahrrad, sondern per pedes apostolo-<br />
rum [zu Fuß wie die Apostel] ), der als „Gast“ von einem Adels-<br />
sitz oder Bischofshofe zum andern wanderte, sich so durchfres-<br />
send, heute wird ein beliebter Sänger von der „Gastspiel- und<br />
Konzertdirektion“ vermittelt und in Autos von Ort zu Ort ge-<br />
bracht. In Würzburg wurde er begraben. Ob ein Futterplatz auf<br />
seinem Grabe heute noch erhalten ist, wie er gewünscht hatte,<br />
weiß ich nicht; leider kam ich niemals in das schöne Würz-<br />
burg. Das ist eine alte „Pfaffenstadt“ zu beiden Seiten des Mai-<br />
nes, von Weinbergen umgeben. Es soll sich eine gewisse „Vor-<br />
nehmheit“ erhalten haben. Rokoko. Vierzehn Statuen von Til-<br />
man Riemenschneider könnten schon eine Reise dahin lohnen,<br />
die leider unmöglich ist, weil man jenseits der deutsch-deut-<br />
schen Grenze kein Geld hat, da der Export von „Devisen“ ver-<br />
boten ist und man mit Beschlagnahme rechnen muß, falls man<br />
bei dem Versuche gefaßt wird, das eigene Geld an einem an-<br />
deren Orte <strong>aus</strong>zugeben.