05.12.2012 Aufrufe

Arthur Pfeifer Briefe aus Waldheim 1960–1976 - Freundeskreis ...

Arthur Pfeifer Briefe aus Waldheim 1960–1976 - Freundeskreis ...

Arthur Pfeifer Briefe aus Waldheim 1960–1976 - Freundeskreis ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

1965<br />

fort die Gefahr neben der Erleichterung sah, hat ihm gehol-<br />

fen. Denn wer da A sagte, mußte B sagen; da gab es kein Zu-<br />

rück. Wer da den sogenannten „Ehrgeiz“ hatte, „etwas zu wer-<br />

den“, der fiel in eine unlösbare Verstrickung. Da mögen noch<br />

viele herumlaufen, denen sich erst jetzt der Strick am Halse zu-<br />

sammenzuziehen droht – weshalb man es drüben so eilig hat,<br />

diese Sachen durch „Verjährung“ zu Ende zu bringen. Wenn<br />

nichts vorläge, das „verjähren“ müßte, würde die Sache nicht<br />

so heftig betrieben.<br />

23. Januar<br />

Manchmal freilich hab ich „Einfälle“ – wie ein altes H<strong>aus</strong>.<br />

So z.B.: ich besitze das einzige Exemplar des Heftes, das der<br />

„Kgl. Sächs. Major Oberreit 3 “ als Dienstanweisung für die Her-<br />

stellung seines berühmten Kartenwerkes von Sachsen verfaßt<br />

hat. Das Original – von dem mein Heft eine Abschrift ist – ging<br />

1945 in Dresden in Flammen auf. Ich könnte mir denken, daß<br />

ein Abdruck dieser sehr interessanten „Anleitung“, versehen<br />

mit einem Nachwort und einigen sauberen Nachdrucken von<br />

Teilen dieser über<strong>aus</strong> schönen Karte ein nettes und anregendes<br />

Büchlein ergeben könnte. Sollten sich ferner in der Landesbib-<br />

liothek etwa noch <strong>Briefe</strong> Oberreits finden lassen, was durch<strong>aus</strong><br />

möglich ist, da er in Dresden lebte, könnte man diese dazuge-<br />

ben und etwas „kulturell Wertvolles“ an das Licht des Tages<br />

bringen. Ich werde wohl mal in Dresden danach forschen.<br />

3 Der sächsische Generalmajor Hermann Oberreit (1777–1856), Chef der Königlichen<br />

Militärplankammer und Kommandant des Ingenieurkorps, war der Schöpfer des<br />

berühmten Topographischen Atlas von Sachsen, kurz „der Oberreit“ genannt.<br />

Sein Verdienst ist die Verwendung der geheimen militärischen topographischen<br />

Kenntnisse für zivile Karten. Seine Dienstanweisung ruft die mit den Vermes-<br />

sungsaufgaben betrauten Offiziere zu größter Genauigkeit angesichts der zu er-<br />

wartenden strengen öffentlichen Kritik auf, vgl. Sächsische Lebensbilder, Bd. 1,<br />

Dresden 1930, S. 294–299.<br />

24. Januar<br />

Dr. Töpel beklagte seine alle Tage bis zur Erschöpfung dau-<br />

ernde Arbeit. Früh ½ 8 h beginnt seine Sprechstunde und bis<br />

abends 7 h geht es dann laufend, fahrend, Treppen steigend<br />

fort. Dauernde Aufmerksamkeit ist der Verantwortung wegen<br />

gefordert. Er sei auch zu abgespannt, sich dieses Jahr zu ei-<br />

ner größeren Reise zu entschließen, nur Weimar käme in Frage.<br />

Die Zeiten, in denen der junge Dr. med. Ernst Häckel 4 in Berlin<br />

in 6 Monaten zwei Patienten zu sehen bekam, es lag ihm frei-<br />

lich auch nichts daran, überlaufen zu werden, diese Zeiten sind<br />

vorbei. – Er erzählte vom alten Professor Hertel, bei dem er in<br />

Döbeln noch im Realgymnasium Unterricht hatte und der dann<br />

Professor für Sanscrit und indische Dialekte an der Universität<br />

Leipzig wurde: Hertel wohnte in Großbauchlitz und studierte<br />

auf dem Wege zur Schule in einem von der englischen Bibel-<br />

gesellschaft gedruckten Neuen Testament mit Hilfe eines deut-<br />

schen Neuen Testaments irgendeinen indischen Dialekt. Das ist<br />

genau die Methode, eine Sprache zu lernen, die Goethe in ei-<br />

nem <strong>Briefe</strong> an Sophie von La Roche 5 für das Griechische emp-<br />

fahl, da sollte eine „Odyssee“ verwendet werden.<br />

31. Januar/1. Februar Sonntag/Montag<br />

Fränzchen [Franz Weißker], dem ich das Goethe-Zitat ser-<br />

vierte, hatte einzuwenden, daß die „Partei“, von der Goethe<br />

spricht, „alles“ sein werde und nicht nur „pars“. Ich hatte nicht<br />

Zeit ihm zu sagen, daß zur totalitären Partei auch die ver-<br />

schwiegenen Teile – als zum Ganzen gehörig – gezählt werden<br />

müssen, also p[ars] plus Emigranten, plus Buchenwald, plus<br />

Auschwitz, plus dem ähnlichen „Erziehungslagern“. Und wenn<br />

pars auch sehr viele Nullen hat – in jedem Sinne – wiegen die<br />

4 Ernst Haeckel (1834–1919) spielte in der Familie <strong>Pfeifer</strong> eine große Rolle, die Eltern<br />

von <strong>Arthur</strong> <strong>Pfeifer</strong> gehörten Haeckels „Monistenbund“ an.<br />

5 Brief vom 20. November 1774.<br />

Der Oberreit<br />

152 153

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!