Arthur Pfeifer Briefe aus Waldheim 1960–1976 - Freundeskreis ...
Arthur Pfeifer Briefe aus Waldheim 1960–1976 - Freundeskreis ...
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1961 Muß sich denn alles lohnen?<br />
den Schwaden des Weihrauchnebels trüben nur die Sicht für<br />
viele Dinge. (Den Weihrauch, nur mit etwas andrem Geruch, ha-<br />
ben wir wohl hier auch.)<br />
2. Juli<br />
Heute Sonntag früh ½ 8 h klingelt es: Dr. Schumann 12 mit<br />
Frau und Frau Weber stehen im Auto vor der Tür! Sie wollten<br />
nach Döbeln und noch nach einem Dorfe nördlich davon und<br />
mich dann abholen nach Zschopau! Soo geht es natürlich nicht.<br />
Es wird nun so gemacht: Am Donnerstag früh fahre ich von hier<br />
für ein paar Tage nach Zschopau. […]<br />
Mir fällt noch ein: Dr. Schumann erzählte eine nette Ge-<br />
schichte, die ihm Prof. Weicker 13 erzählt hat. Weicker ist an Sil-<br />
vester in der von ihm jahrzehntelang durchforschten Sächsi-<br />
12 Der Dresdner Reformpädagoge Kurt Schumann (1885–1970) war bis 1933 Lehrer<br />
an der Dürerschule in Dresden. Wie <strong>Arthur</strong> <strong>Pfeifer</strong> wurde er 1934 nach Zscho-<br />
pau strafversetzt. Er war dort Lehrer an der Jungen-Oberschule (mit Internat)<br />
und von 1945–1950 dann der Leiter der Schule. Nach seiner Entlassung 1954,<br />
weil er sich der Verleumdung der bundesrepublikanischen Schule widersetzte,<br />
wirkte er als Heimatforscher weiter (vgl. u.a. sein Wanderheft Rund um die Au-<br />
gustusburg, Dresden 1952). <strong>Arthur</strong> <strong>Pfeifer</strong> war ein gern gesehener Gast bei Kurt<br />
Schumann, seiner Frau Martha und seinem Sohn Karsten im H<strong>aus</strong> am Bleichweg.<br />
<strong>Pfeifer</strong> und Schumann, der sich selbst als „denkenden Wanderer“ bezeichnete,<br />
machten zusammen natur- und heimatkundliche Wanderungen in der Zschopauer<br />
Umgebung. Eine andere gemeinsame Leidenschaft war der Garten; beide waren<br />
Anhänger des Blumenzüchters Karl Foerster. – Gertrud Weber ist die H<strong>aus</strong>halts-<br />
hilfe der Familie Schumann seit dem Schlaganfall von Martha Schumann, durch<br />
den diese teilweise rechtsseitig gelähmt war. – Über Kurt Schumann vgl. die bio-<br />
graphische Studie von Andreas Pehnke, „Ich gehöre auf die Zonengrenze“, Beu-<br />
cha bei Leipzig 2004.<br />
13 Der Lehrer und Heimatforscher Oberstudienrat Gotthold Weicker (1879–1962) war<br />
der Direktor des Wettiner Gymnasiums in Dresden, an dem der junge Kurt Schu-<br />
mann als Lehrer tätig war. Nach 1945 beteiligte er Kurt Schumann, an der Neu-<br />
gründung der Geographischen Gesellschaft in Dresden. Als Kurt Schumann 1954<br />
in Zschopau geächtet wurde, bot Gottlob Weicker ihm das „Du“ an, die Entlas-<br />
sung <strong>aus</strong> der Zschopauer Oberschule verstand er als Adelszeugnis.<br />
schen Schweiz gewesen und hat da einen Kahnfahrer gefun-<br />
den, der ihn an diesem Tage durch die Klamm ruderte. Weicker<br />
sagt dem Manne: das lohnt sich doch da für Sie gar nicht. Wo-<br />
rauf dieser erwidert: „Muß sich denn alles lohnen?“ Schumann<br />
meint, dieser Satz ersetze ihm jede Predigt.<br />
Zschopau, den 11. Juli<br />
Du fragst, was ich hier tue: Wenn Du Dir die vielen Fens-<br />
ter dieses H<strong>aus</strong>es vorstellst und wie sie bedauerlich verwittert<br />
sind, dann kannst Du Dir vorstellen, daß ich von früh bis spät<br />
zu tun habe. Erst muß alter Farbrest mit Drahtbürste und Sand-<br />
papier entfernt werden. Dann sind die rohen Stellen mit Öl zu<br />
behandeln, hierauf folgt ein Anstrich mit Grundfarbe, am über-<br />
nächsten Tage mit Lackfarbe, und wenn ich noch dazu komme,<br />
ist mit Rasierklinge Farbe von Fensterscheiben zu entfernen, das<br />
Auskitten hätte ich beinahe zu erwähnen vergessen. Am Abend<br />
zeigt mir Dr. Schumann <strong>aus</strong> seinem sehr reichen Photographien-<br />
schatz oder liest <strong>aus</strong> <strong>Briefe</strong>n vor, die er <strong>aus</strong> allen Erdteilen hat.<br />
Vor kurzem hat ihn ein früherer Schüler 14 besucht, der als Mete-<br />
orologe sehr lange mit einer russischen Expedition am Südpol<br />
war. – Da gibt es <strong>Briefe</strong> von Spranger 15 , von Litt 16 , vom Minis-<br />
14 Joachim Kolbig (1933–1999), Leiter der Abteilung Technische Meteorologie im<br />
Hauptamt für Klimatologie Potsdam und Sekretär der Kommission „Reinhaltung<br />
der Luft“ des Forschungsrates der DDR, verbrachte anderthalb Jahre auf der so-<br />
wjetischen Antarktisstation „Mirny“ (1959–1961). Angeleitet von seinem Lehrer<br />
Kurt Schumann in Zschopau, beschäftigte er sich bereits als Schüler mit der Wet-<br />
terbeobachtung.<br />
15 Der Philosoph, Psychologe und Pädagoge Eduard Spranger (1882–1963) war der<br />
Doktorvater von Kurt Schumann und betreute dessen Arbeit über die Erziehungs-<br />
maximen in Philip Dormer Stanhope of Chesterfields <strong>Briefe</strong>n an seinen Sohn<br />
(1774): Die pädagogischen Ansichten des Grafen Chesterfield, Langensalza 1917.<br />
16 Theodor Litt (1880–1962), Philosoph und Pädagoge, s. auch Brief vom 18. Dezem-<br />
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ber 1972.