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Arthur Pfeifer Briefe aus Waldheim 1960–1976 - Freundeskreis ...

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1967 Amerikanische Weihnachtssprüche<br />

nicht die meinen?“ 7 Heute fährt man mit mehr als sechs Hengs-<br />

ten. Und dann wundert sich die Welt der Erwachsenen – die<br />

das alles angestellt haben – über die unerwünschten Ergeb-<br />

nisse ihrer Bemühungen – statt sich aufzuhängen, wie es ihre<br />

Pflicht wäre. Die technische Entwicklung rast davon mit der<br />

Barbarei, weil der Beherrschung der äußeren Natur die der in-<br />

neren nicht parallel lief. Diese letztere aber ist die Essenz der<br />

Kultur. Mit dem sogenannten „Ende“ des Krieges haben keines-<br />

wegs seine Übel ihr Ende gefunden; solche erschütternden Ein-<br />

griffe in die lebendige Substanz zittern Jahrzehnte nach. Blei-<br />

bende, immer wieder schmerzende Narben.<br />

16. November<br />

Forsche zunächst mal nicht weiter nach dem „Daily Wor-<br />

ker“. […] Ich vermute, die Zeitung hat sich hier irgendwie unbe-<br />

liebt gemacht oder ist auf Forderungen und Wünsche nicht ein-<br />

gegangen und wird deshalb hier unbeliebt. – Als im Juli 1914<br />

der Deutsche Botschafter 8 in Wien von der Reichsregierung auf-<br />

gefordert wurde, Zeitungen aller Länder zu deutschfreundlichen<br />

Haltungen zu bewegen – „Gelder stehen unbegrenzt zur Ver-<br />

fügung“ – erwiderte der Botschafter Zimmermann 9 , es sei völ-<br />

lig <strong>aus</strong>geschlossen, irgendeine englische Zeitung für Geld zum<br />

Abdruck irgendwelcher fremder Meinungen zu bewegen. Für<br />

andre Großstädte Europas gab er Personen an, die als Mit-<br />

telsmänner zu befragen seien. Einen Ausweg fand dann – für<br />

die Schweiz – in der Nazizeit der Goebbels, der da eine neue<br />

Zeitung 10 gründete, die eigentlich nur dazu diente, im „Völki-<br />

schen Beobachter“ als „Auslandsstimme“ zitiert zu werden, um<br />

7 F<strong>aus</strong>t I. Studierzimmer, 2.<br />

8 Heinrich von Tschirschky und Bögendorff (1858–1916).<br />

9 Artur Zimmermann (1864–1940), Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt.<br />

10 Vermutlich die Deutsche Zeitung in der Schweiz, erschienen von 1938 bis 5. Mai<br />

1945 in Bern.<br />

hier den Eindruck einer „Zustimmung“ hervorzurufen, die gar<br />

nicht vorhanden war, weil draußen niemand dieses Käseblätt-<br />

chen las. So ungeheuer und teuer solcher Schwindel ist, sol-<br />

che Methoden wurden geübt. Ganz zu schweigen von der Be-<br />

einflussung <strong>aus</strong>ländischer Zeitungen, wie sie vom Pressebüro<br />

der Kruppwerke in Essen 1913 in Gang gesetzt wurde. Sachen<br />

gibt es, von denen sich der harmlose Spießbürger nichts träu-<br />

men läßt.<br />

1. Dezember<br />

Ob es zu raten ist, amerikanische Weihnachtssprüche – die<br />

an Sentimentalität den deutschen Phrasen ähnlich sind – hier<br />

in einem Kurs als Unterrichtsstoff zu verwenden?? Ich würde mir<br />

so etwas sehr überlegen und dies unterlassen. Nicht nur, weil<br />

man diese kapitalistischen Kulturgüter <strong>aus</strong> politischen Gründen<br />

– mit Gründen – anfechten könnte, sondern weil ich nicht sehe,<br />

was dabei Positives her<strong>aus</strong>kommen soll. Es ist doch nicht nö-<br />

tig, mit solchen Dingen sich in ein Gefahrenfeld zu begeben!<br />

Laß da einen sein, der das mißvergnügt als „unzeitgemäß“ be-<br />

urteilt, etwas entstellt weiter gibt – und Du hast nichts als Sor-<br />

gen und Gefahren. Also bitte ich Dich in Deinem Interesse: Laß<br />

das sein! Es gibt nur Verdruß. Halte getrost bis zuletzt korrek-<br />

ten Unterricht. Diese „Schulweihnachtsfeiern“ sind mehr als<br />

überflüssig, genau so wie die „Ladenweihnachtsfeiern“.<br />

4. Dezember<br />

Graue Wolken ziehen mit bedeutender Geschwindigkeit vor-<br />

über. Das Erdbeben in Mazedonien glaube ich hier empfunden<br />

zu haben in der vergangenen Woche. Es muß an seinem Zen-<br />

trum sehr stark gewesen sein. Diese Erschütterungswellen ha-<br />

ben eine sehr große Reichweite.<br />

Heute fahr ich halb drei mal nach Döbeln in die Buchhand-<br />

lung von Langner, um mich nach dem Katholischen Kalender<br />

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