Arthur Pfeifer Briefe aus Waldheim 1960–1976 - Freundeskreis ...

1975
29. Dezember
In Japan werden japanische Ausgaben von Werken Hermann
Hesses millionenweise gedruckt und verkauft. Wir leben da in
einer Wüste, in der „Kultursteppe“.
„Nebel behindert den Verkehr“ – das ist mehr als eine Wet-
teransage. Der Gehirnnebel entwickelt sich täglich. […]
Im Radio wurde „gelehrt“ geredet über „Angst in der
Schule“! Da ich mich dazu nie verstanden habe, muß ich doch
ein minderer Magister gewesen sein. Nie begriff ich, daß die Er-
zeugung von Angst der Bildung dienlich sein könnte.
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1976
7305 Waldheim in Sachsen, den 17. Mai
Warum soll ich nicht den Dornburger Spruch 1 schreiben
können? Das müßte noch möglich sein. Meine Behinderung
ist die Herzbeschädigung, die mich hindert, in der Gegend mit
Höhenunterschieden herumzusteigen; abwärts zu gehen, das
gelingt, aber aufwärts ist es schlecht bestellt. Goethe besaß
Pferde, Wagen, Kutscher, Diener, Proviantkörbe mit Frühstück
und eine Tasche für Weinflaschen – und einen goldenen Becher
für diesen Wein.
19. Mai
Obwohl Gewitter in der Luft zu liegen scheinen, fiel noch
kein Tropfen auf den trockenen Boden. Kein Luftzug ist zu be-
merken.
Eben kam Dr. Toepel wieder und verordnete ein neues Me-
dikament.
22. Mai
Der Regen kam gerade recht; denn die Trockenheit nahm
so zu, daß hier das Gießen von Gärten verboten wurde, um
dem Wassermangel vorzubeugen. Natürlich liefen Gartenbesit-
zer mit Gießkannen durch die Gegend, weil sie das erhalten
wollten, was sie gerade gepflanzt hatten. Jeder sucht zuerst,
1 „Gaudeat ingrediens, laetetur et aede recendens / His qui praetereunt det bona cunc-
ta Deus.“ In der Übertragung Goethes: „Freudig trete herein und froh entferne
dich wieder! / Ziehst du als Wandrer vorbey, segne die Pfade dir Gott!“