Arthur Pfeifer Briefe aus Waldheim 1960–1976 - Freundeskreis ...
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1970 Dämonen<br />
der Scherbenhaufen, sondern der bei seiner Herstellung entste-<br />
hende Lärm ist die Absicht. Abschreckend ist die Wirkung auf<br />
die Geister – und noch heute auf den Geist.<br />
4. Juni<br />
Daß man nicht dahin fahren kann, wohin zu reisen nötig<br />
wäre, ist ein Jammer. Da höre ich einen Bericht von einer inter-<br />
nationalen Lehrmittelmesse in Basel, die ich sehr gern gesehen<br />
hätte, weil dort die „Lernmaschinen“ in großer Zahl im Betriebe<br />
zu sehen und zu benutzen waren. Damit müßte man sich sehr<br />
genau beschäftigen können. Das bloße „Hören-Sagen“ gibt<br />
kein klares Bild von einer Sache, die bereits in großem Um-<br />
fange im Gange zu sein scheint. Es entwickelt sich da eine völ-<br />
lig neue Literatur und eine Methodik, von der man sich nichts<br />
hätte träumen lassen. Wie in der Medizin eine Umordnung er-<br />
folgt ist, eine ganz neuartige maschinelle Diagnostik und The-<br />
rapie, die den Arzt zum Physiker und Techniker wandelt, so<br />
scheint sich auf dem Gebiete des Unterrichts eine Technik zu<br />
entwickeln, die auf ganz ungewohnten Wegen zu vorher nicht<br />
zu ahnenden Ergebnissen führt. Es ist falsch, davor die Augen<br />
zu schließen und – ohne die Sache zu kennen – diese zu verur-<br />
teilen. Da entstehen in neuen Verlagen ganz neue Arten didak-<br />
tischer Literatur für die Maschinerie, die ungeahnte Ergebnisse<br />
hervorbringt. Und man weiß nichts Genaues davon.<br />
14. Juli<br />
Ich las ein paar Bände Nietzsche. Da fiel mir ein, daß ich so<br />
vor 10 Jahren für eine Schweizer Zeitung eine Buchbesprechung<br />
eines Werkes von Prof. Kesselring 10 , Psychiater u. Direktor der<br />
Irrenanstalt Burghölzli bei Zürich geschrieben habe – und „Fü-<br />
10 Max Kesselring, Nietzsche und sein Zarathustra in psychiatrischer Beleuchtung, Af-<br />
foltern 1954.<br />
gung“ – ohne danach gesucht zu haben, fiel mir vorhin beim<br />
Abstauben alter Papiere diese Niederschrift in die Hand.<br />
288 289<br />
21. Juli<br />
Interessant war ein Bericht über „psychokinetische Phäno-<br />
mene“ in einer Kanzlei in Rosenheim in Bayern 1969! Ein Frei-<br />
burger Professor der Parapsychologie [Alfred Hoche], der nebst<br />
vielen andern die Sache – ergebnislos – untersuchte. Eine<br />
19jährige Angestellte brachte, sobald sie das Kontor betrat,<br />
„Unordnung“: Lampen flackerten oder setzten <strong>aus</strong>, Telephone<br />
arbeiteten oder störten, eins rief p<strong>aus</strong>enlos nach der Zeitan-<br />
gabe, Akten verschoben sich, elektrische Einrichtungen wurden<br />
verwirrt, ohne daß Fachleute die Ursachen ermitteln konnten;<br />
ein Bild an der Wand drehte sich um 120 Grad. Ein halbes Hun-<br />
dert von Technikern und Gelehrten vermag keine Erklärung zu<br />
finden. Schwindel? Irrtum? Aprilscherz?<br />
22. Juli<br />
Drüben will man, die Jugend zu retten, mit Aufwand einer<br />
Millionensumme einen „Aufklärungsfeldzug“ gegen R<strong>aus</strong>ch-<br />
gifte – Haschisch, Heroin etc. – loslassen, als ob man Dämonen<br />
durch Belehrung bändigen könne. Was fehlt, ist eine das Leben<br />
lenkende große Idee, etwas Emotionales also, das keinesfalls<br />
durch bloße Aufklärung ersetzt werden kann. Dieses „Jugend-<br />
problem“ ist ein Teil des Trümmerhaufens, den der Krieg aufge-<br />
türmt hat. […] Daß „Aufklärung“ wenig zu bedeuten hat, lehrt<br />
am eindringlichsten die Nachwirkung der ersten Landung auf<br />
dem Monde, die doch den Erkenntnisraum der Menschheit au-<br />
ßerordentlich erweiterte und <strong>aus</strong> der man hätte lernen können,<br />
die Widerwärtigkeiten auf dem kleinen Erdball zu beseitigen –<br />
nichts davon geschah und geschieht, das „Interesse“ ist einge-<br />
schlafen, die „Belehrung“ durch die Horizonterweiterung blieb<br />
<strong>aus</strong>. Keine alle verbindende Begeisterung ergriff die Millionen.