Arthur Pfeifer Briefe aus Waldheim 1960–1976 - Freundeskreis ...

1960
alles mit Temperament in glänzend gebauten Sätzen, die man
hätte nachschreiben sollen.
2) Wegerdt (Ingenieur) sprach über Grundlagen in der Me-
tallindustrie: auch weitgespannte Gedanken. Geschickt, wie er
die Rolle von Empirie und Wissenschaft, Handwerk u. Industrie
darstellte und jedem seinen Wert gab.
3) Fischer erzählte von elektronischen Rechenmaschinen,
gewandt, frei. Wie er die Phrase vom „Elektronengehirn“ auf-
löste, geistreich liebenswürdig.
Ich muß sagen, wenn diese Generation die Ruder recht in
die Hand bekommen wird, wozu sie auf dem besten Wege sind,
da wird vieles gerettet werden.
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1961
Waldheim, den 1. Januar
Heute las ich wieder mal die „Symbolische Physik“ von
Eberhard Buchwald, den wir in Weimar über Goethes Farben-
lehre 1 hörten. Es ist doch ein gescheites Buch. Ich kam durch
den Vortrag von Mierau wieder darauf. Da es in elender Draht-
heftung nur broschiert herumstand, habe ich gleich meine Heft-
nadel vorgeholt, den Draht entfernt, es neu geheftet, Papp-
deckel zugeschnitten und nun liegt es in der Presse, daß der
Kleister trockne. Morgen kriegt es Rücken und Frack und hat
dadurch „einen Wertzuwachs erfahren“. So sagt man das wohl.
Ich sehe allerdings hier noch einiges herumstehen, dem das
auch bekommen würde. Es ist bloß gut, daß man das selber
machen kann – und das kostet weniger Zeit, als wenn ich erst
zum nächsten Buchbinder nach Hartha fahre, dort Bittgesuche
loslasse, wochenlang warte, paarmal vergeblich hingehe und
so weiter. Und Geld kostet es keinen Pfennig. Und das ist für
einen ausgesprochenen Geizkragen auch wichtig! […]
Sylvester und Neujahr vergingen in Stille. Heute vormittag
erschien Brückner – der ehemalige Schüler aus Roßwein, der
zum Besuche seiner Eltern hier ist, mit Kind und Kegel, ohne
Einreiseschwierigkeiten. Aber drüben bei der Ausreise hat man
Bedenken geäußert und gewarnt, daß er nicht mit einem Spio-
nage-Auftrag aus dem Osten zurückkommen solle. Er ist als
1 Der Physiker Eberhard Buchwald (1886–1975) hielt auf der Hauptversammlung der
Goethe-Gesellschaft am 11. Juni 1954 in Weimar den Festvortrag: Farbenlehre als
Geistesgeschichte. In: Goethe. N. F. des Jahrbuchs der Goethe-Gesellschaft. Bd.
16, Weimar 1954, S. 1–13.