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Arthur Pfeifer Briefe aus Waldheim 1960–1976 - Freundeskreis ...

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1976 Im „All“ bin ich auch in meiner Stube<br />

11. August<br />

(Tag der Verfassung vor der Nazizeit) Turner hat in London<br />

am Strand ein eigenes Museum, in dem seine schönen Bilder<br />

vereinigt sind. Es ist zu bedauern, daß es für uns unmöglich ist,<br />

diese herrlichen Sachen zu betrachten.<br />

25. August<br />

Gelenau liegt im Erzgebirge, etwas höher wohl als Zscho-<br />

pau, ein langgestreckter Ort in 895 Meter Höhenlage; in der<br />

Nähe liegen Thum und Ehrenfriedersdorf, ehemalige Bergbau-<br />

orte. Dort wurden – wie Du bei Deiner Ankunft hören wirst – die<br />

Glocken geläutet, sobald „fürstliche Personen“ dort einfuhren.<br />

Zu besuchen sind da die Greifensteine und die Kirche zu Ehren-<br />

friedersdorf. Nimm mit einem Tonbandgerät das Begrüßungs-<br />

geläute auf, das bei Deiner Einfahrt erklingen wird. Der Granit<br />

der Greifensteine enthält Apatit, Nakrit, Turmalin, Topas, Zinn-<br />

erz. „Veilchenstein“ ist ein von einer winzigen Alge bewohn-<br />

ter Stein, dessen Oberfläche bei Feuchtigkeit einen Veilchen-<br />

duft abgibt, der von der Alge stammt. Eine solche Erscheinung<br />

kommt auch im Riesengebirge vor. Ob Du freilich spazierenge-<br />

henderweise einen größeren Topas finden kannst, ist Glücks-<br />

sache; es gibt da auch einen Topas, dessen Farbe heller ist als<br />

Bernstein. (Bernstein ist kein Stein!) Früher gab es am Schne-<br />

ckenstein noch größere Topase, das ist jedoch vor 60–70 Jah-<br />

ren gewesen. Inzwischen dürfte da viel von den Mineralien „ab-<br />

geklopft“ sein. Nun, Du wirst sehen, was da noch vorhanden<br />

ist. Zu wünschen ist, daß sich ordentliche Verpflegung in diese<br />

Gegend verirre. Das ist nicht nur „ein Transportproblem“, meist<br />

ist nichts da, das zu transportieren lohnt, und die Wagen fah-<br />

ren leer und täuschen nur etwas vor, um die Leute „darüber<br />

hinwegzutäuschen“, daß nichts da ist. Das dauert nun bereits<br />

Jahrzehnte, „mär hams awer klei gemärgt!“<br />

„Es sind Maßnahmen vorgesehen auf dem Sektor – – –.“<br />

15. September<br />

Das Herbstwetter ist doch noch recht sommerlich; ich heize<br />

nur den Hund. Wäre ich besser dran, kaufte ich mir einen Pu-<br />

del, aber der wäre wohl lieber woanders als bei solchem Inva-<br />

liden, obwohl er sich dessen Zustand noch weniger vorstellen<br />

kann als irgendwer. Goethe schätzte die Hunde nicht; nun er<br />

hatte genug Menschen um sich, die diese Vierbeiner ersetzten.<br />

Schopenhauer erfreute sich an einem Pudel als „Menschen-Er-<br />

satz“. Ich könnte doch ein freundlich grinsendes kleines Croco-<br />

dil bei mir unterbringen? Und am Friedhof einen Stand mit ech-<br />

ten Crocodilsthränen aufbauen? Daran ist doch „Bedarf“, der<br />

gedeckt zu werden sich lohnen könnte.<br />

17. September<br />

Rum ist schon gut, nur muß man bedauernd beobachten,<br />

daß bei Gebrauch der leere Teil der Flasche sich vergrößert,<br />

daß das Nichts ein wachsendes Etwas wird. Sonntag bleib ich<br />

lieber noch in meinem Bau und fahre nicht zu Dr. Toepel. – Ich<br />

glaube, in meiner Ecke hab ich gelegentlich etwas von dem<br />

Erdbeben im Friaul wahrgenommen. Solche Stöße laufen wel-<br />

lenförmig über sehr weite Strecken der Erdkruste. – Daß sich<br />

Flieger mit ihren nicht riesigen Höhen im „All“ bewegen, ist<br />

eine lächerliche Rede. Im „All“ bin ich auch in meiner Stube.<br />

Außerhalb des Alls ist wahrscheinlich das „Nichts“, das sehr<br />

groß sein kann und die politischen Groß- und Lautschnäbler<br />

aufnehmen sollte.<br />

21. September<br />

Ich kann niemand mehr etwas beibringen!<br />

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