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Arthur Pfeifer Briefe aus Waldheim 1960–1976 - Freundeskreis ...

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1963<br />

selbst – fragt nicht, ob man sie siehet.“ 3 Das ist haargenau das<br />

Richtige, was an Kritik zu jeder Kunstleistung zu sagen wäre,<br />

gleichviel ob Plastik, Malerei, Gedicht, Musik, Tanz. Sobald eine<br />

Sache mit dem Schielen nach dem „ob man sie siehet“ zu-<br />

stande kommt, ist es <strong>aus</strong> damit. Ob da einer Geld verdienen,<br />

von den Mächtigen gewürdigt, von Verzückten verehrt werden<br />

will, ist gleichgiltig; wo solche Gedanken oder vielmehr Absich-<br />

ten mitsprechen, ist es mit dem Blühen der Rose vorbei.<br />

5. März<br />

Ich las jetzt – oder begann zu lesen: Mark Twain „Ein Yan-<br />

kee an König Artus Hof“. So richtig manches in der Beurteilung<br />

mittelalterlicher europäischer Geschichte ist, so geschmacklos<br />

kommt mir das Ganze vor. Plakatmalerei, mit der der Verfasser<br />

viel Geld verdient hat. Ich werde die Schwarte einem Antiquar<br />

verschachern – und wenn bloß ein Stück Kuchen für Dich dabei<br />

her<strong>aus</strong>kommt, das ist immer noch besser. Denn verschenken<br />

kann ich so etwas nicht, was mir selber nicht gefällt.<br />

5. März<br />

Mit einigem Widerwillen las ich in diesem Mark Twain weiter<br />

„Ein Yankee an König Artus Hof“ – das ist ein Machwerk. So mi-<br />

serabel, daß ich nicht weiß, wohin ich die Scharteke stellen soll.<br />

Seitenlange Glossen über die Unbequemlichkeit der Rüstung<br />

mittelalterlicher Ritter – als ob die moderne Beengung in der<br />

Demokratie durch massive Knochenköpfe nicht weit übler wäre.<br />

6. März<br />

Nach dem Mark Twain zog ich ein altes Buch – 1808 in Paris<br />

erschienen – hervor: „Lettres choisies de M me de Sévigné“, die<br />

zur Zeit Ludwigs XIV. lebte und deren <strong>Briefe</strong> an ihre Tochter hier<br />

3 Die Verse stammen <strong>aus</strong> dem Cherubinischen Wandersmann von Angelus Silesius.<br />

französisch und englisch gedruckt sind. Es ist, als ob man erst<br />

bei dem Mark Twain durch Schwaden von Kanalgeruch gegan-<br />

gen wäre und nun auf eine besonnte Parkwiese käme, auf der<br />

t<strong>aus</strong>ende von Veilchen duften. Erzähle das nicht weiter, man<br />

hielte mich für einen Erzreaktionär.<br />

100 101<br />

9. März<br />

In den <strong>Briefe</strong>n der Madame Sévigné kann man – so zwi-<br />

schen den Zeilen und als späterer Leser – sehen, wie Ludwig<br />

XIV. mit seinen „Ruhmestaten“ den Boden eifrig vorbereitet,<br />

auf dem dann ein Jahrhundert später die Revolution wachsen<br />

mußte. Die mit der „Vorarbeit“ Beschäftigten konnten nicht<br />

ahnen, was für Wirkungen <strong>aus</strong> ihrem Lebensstil hervorgehen<br />

mußten. Die französischen Originalbriefe wirken ganz köstlich,<br />

in der daneben stehenden englischen Übersetzung geht man-<br />

cher Zauber verloren.<br />

13. März<br />

Gestern fragt mich Bergmann: „Was heeßt denn das hier<br />

– linquenda?“ Ich sage: „Das zu Verlassende, wie kommen Sie<br />

darauf?“ – „Das steht in Kriebethal an Niethammers 4 Villa.“ Ich:<br />

4 Albert Niethammer (1833–1908) gründete mit seinem Freund Friedrich Kübler (1833–<br />

1865) die Papierfabrik Kübler & Niethammer in Kriebstein (1856). Als liberalde-<br />

mokratischer Politiker in Gebiets-, Landes- und Reichskörperschaften kümmerte<br />

sich der Geheime Kommerzienrat Albert Niethammer intensiv um den Straßen-,<br />

Brücken- und Eisenbahnbau in der Region. Für seine Arbeiter baute er eine Sied-<br />

lung und eröffnete einen Kindergarten (1879). Die Namen treuer Arbeiter ließ er<br />

in Marmor meißeln. Er selbst wurde Ehrenbürger der Stadt <strong>Waldheim</strong>. Von 1879<br />

an traten seine drei Söhne Albert (1857–1910), Walter (1859–1922) und Konrad<br />

(1863–1931) in die Firma ein, die Konrad ab 1910 allein weiterführte. 1945 von der<br />

sowjetischen Besatzungsmacht beschlagnahmt, wurde die Fabrik 1946 enteignet<br />

und in einen Volkseigenen Betrieb umgewandelt. 1990 ging die Fabrik unter dem<br />

Namen Kübler & Niethammer Papierfabrik Kriebstein AG wieder in Familienbesitz<br />

über. Vgl. Sächsische Lebensbilder. Bd. 1, Dresden 1930, sowie Neue deutsche<br />

Biographie. Bd. 19.<br />

Linquenda

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