Arthur Pfeifer Briefe aus Waldheim 1960–1976 - Freundeskreis ...
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1964 Die Zahl Sieben<br />
29. Oktober<br />
Die „Harmonik“ des Hans Kayser ist ein recht eigenartiges<br />
Buch, das sich in einer Gegenstellung zu dem was man „zu-<br />
künftige Wissenschaft“ nennt, befindet. In manchen Sätzen er-<br />
innert es an die Anthroposophie des Rudolf Steiner, ohne etwa<br />
ihn zu zitieren. Es bleibt jedoch eine eigene Sache, poetische<br />
Ahnungen begründeten Erkenntnissen gleichzusetzen, obwohl<br />
man wiederum nicht leugnen kann, daß vieles scheinbar gut<br />
begründete Wissen eines Tages von einem besser begründeten<br />
abgelöst wird – und alles relativ bleibt, alles „Glasperlenspiel“,<br />
das dient, die Geister zu beschäftigen und zu schärfen – bis sie<br />
wieder in Dumpfheit versinken. Hier wäre das Buch kaum ge-<br />
druckt worden und daß es auf meine Veranlassung in die Bibli-<br />
othek kam, ist auch zu wundern.<br />
Ob etwa Platos „Staat“ eine große Ironie ist? Und Jahrtau-<br />
sende nahmen die Sätze ernst!<br />
30. Oktober<br />
Die „Septem artes liberales“ sind die sieben freien Künste,<br />
die sieben „Säulen der Weisheit“, die sich in das Trivium (da-<br />
her Trivialschulen, die dort standen, wo drei Wege zusammen-<br />
kamen) und Quadrivium gliederten. Zum Trivium gehörten drei<br />
sprachliche Fächer: 1. Grammatik, 2. Rhetorik, 3. Dialektik (=<br />
Logik), zum Quadrivium 4. Arithmetik, 5. Geometrie, 6. Astro-<br />
nomie, 7. Theorie der Musik (alle vier mathematische Fächer).<br />
Die „Heiligkeit“ der Sieben kam von den sieben Planeten (weil<br />
man mangels Fernrohr nur sieben kannte), wonach die sieben<br />
Wochentage ihnen geweiht, die sieben Weisen anerkannt, sie-<br />
ben Weltwunder, sieben Seligkeiten, sieben Todsünden, sieben<br />
Teufel (die böse Sieben), der siebenarmige Leuchter, sieben<br />
Geburtsorte Homers, die Sieben gegen Theben, sieben Hügel<br />
Roms, sieben Könige Roms, und vor vierzig Jahren erst aufge-<br />
stellt, „die sieben Jahreszeiten“ – von Karl Foerster im „Stein-<br />
garten der sieben Jahreszeiten“. Man glaubte, auch im Ablauf<br />
des Lebens einen Siebenjahresrhythmus zu finden: 7 J. Zahn-<br />
wechsel, 14 J. Konfirmation, 21 J. „Mündigwerden“ und so wei-<br />
ter. Die sieben Töne der Tonleiter, die sieben Regenbogenfar-<br />
ben gehören auch hierher (obwohl es viel mehr sind, man<br />
brauchte der Tonleiter nur mehr Sprossen einzusetzen, die<br />
zweifellos da sind und nur wenn man sie anstreicht, für „un-<br />
sauber“ erklärt werden. Der Wille zündet auch hier die Laterne<br />
des Verstandes an 18 ). Adam hatte sieben Söhne, Niobe eben-<br />
falls und noch sieben Töchter dazu (ist die aber fleißig gewe-<br />
sen!) Nun nimm Deine sieben Sachen zusammen, flechte Deine<br />
sieben Haare, sei nicht so siebengescheit, bringe zum heil’gen<br />
O’md siemerla [Abend, siebenerlei] Gericht auf den Tisch, den<br />
die sieben Zwerge heranrücken. Von denen laß Dir auch „Sie-<br />
bengezeit“ (Lotum urbanum) = Steinklee bringen: etliche Wei-<br />
ber pflegen diß Kraut wider die Gespenster und Gifft über die<br />
Tische und Betten zu hängen (tu das ja!), auch pfleget man das<br />
truckene Kraut zu den Kleidern zu legen, die Schwaben (nicht<br />
die sieben Schwaben) dadurch zu vertreiben [gemeint sind die<br />
Schaben], die desselben Geruch nicht wol leiden können. Nun<br />
will ich mich nur mit den Siebenmeilenstiefeln davon machen,<br />
am liebsten bis in das Land der Siebenschläfer. – Langt es für<br />
144 145<br />
septem?<br />
1. November<br />
Das „Lehrbuch der Harmonik“ ist recht interessant. Man<br />
möchte sich ein besonderes Monochord dazu bauen, wozu die<br />
Zeichnungen gegeben sind. Es erinnert in mancher Beziehung<br />
an Goethes Farbenlehre. Der Mann beschränkt sich nicht auf<br />
rein musikalische Dinge, sondern bringt eine Unmenge Bezie-<br />
18 Die Bemerkung bezieht sich auf <strong>Arthur</strong> Schopenhauer, den <strong>Arthur</strong> <strong>Pfeifer</strong> sehr<br />
schätzte.