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Arthur Pfeifer Briefe aus Waldheim 1960–1976 - Freundeskreis ...

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1961<br />

besucher klar machen. Die Mühe liegt vor dem Konzert – und<br />

der Genießer spürt davon nichts mehr.<br />

Es ist doch etwas Wunderbares, wie einer <strong>aus</strong> den vier Sai-<br />

ten Klänge hervorzaubert, die T<strong>aus</strong>ende fesseln können; daß<br />

die Klangfolge in den schwarzen Notenköpfen für Jahrhunderte<br />

erhalten bleibt und immer wieder hörbar werden kann. Und<br />

daß Ihr Euch dazu hinaufgearbeitet habt, solch Wunder richtig<br />

zu genießen – das ist auch ein Anlaß, sich zu freuen. Denn das<br />

kann Euch niemand nehmen.<br />

8. März<br />

Welch ein Vorzimmer der Hölle hast Du da geschildert?!<br />

Wollen sich die Leute außer mit Schnaps noch mit grell-bunten<br />

Farben besaufen? Oder spricht <strong>aus</strong> solch technisch raffinierter<br />

Geistlosigkeit nicht im Grunde eine innere Angst vor der eige-<br />

nen Leere und Verlassenheit?<br />

Wie kannst Du nur so geblendet sein und Deine Behau-<br />

sung „Rumpelkammer“ nennen? Ausgerechnet im Vergleich mit<br />

einem Plunderpalast, den <strong>aus</strong>zustatten einen das verwendete<br />

Holz dauern kann. Guck Dir Goethes Arbeitszimmer an oder<br />

Schillers Stube oder gar Beethovens. Freilich – dreieckige Ti-<br />

sche, das ist was ganz Modernes. Vielleicht bekommt das Volk<br />

noch dreieckige Köpfe, dreckige hat es schon. Da hängen dreie-<br />

ckige Kacheln an den Wänden mit albernen Ornamenten – aber<br />

was geht uns das an? Man könnte höchstens bedauern, daß<br />

Material und Arbeitskraft soo vergeudet werden; aber selbst<br />

das braucht uns nicht aufzuregen. Das sind doch kümmerli-<br />

che Versuche, sich selbst und andre über die innere Leere zu<br />

täuschen – auch wenn man diese nur dunkel ahnt; denn käme<br />

sie zum Bewußtsein, wäre der Tiefpunkt der Kurve erreicht<br />

und Hoffnung auf Besserung vorhanden. Nur Du sollst Dich<br />

nicht darüber aufregen, daß Du nicht solche Karnevalswelt der<br />

Selbsttäuschung um Dich hast. Sollst Dich an Deinem Bettvor-<br />

leger freuen, den ein armer alter Rentner mit Liebe unter Deine<br />

Füße legte. Und wenn Du Dich von solcher Fastnacht betören<br />

läßt, laß ich einen Keramikhund bauen, der im Takte des Cho-<br />

pinschen Trauermarsches vorn und hinten feurigen Rauch <strong>aus</strong>-<br />

stößt oder eine Katze, die Choräle miaut – Du Dummhut! Es<br />

wird Zeit, daß ich Dir mal den Kopf wasche!<br />

54 55<br />

13. März<br />

In dem sehr interessanten Briefwechsel Goethe–Hein-<br />

rich Meyer kommen ergötzliche Sachen vor. 1793 ist Goethe<br />

mit dem Herzoge [Carl August] in Frankreich und kommt über<br />

Frankfurt langsam zurück. Meyer in Weimar besorgt inzwi-<br />

schen die Renovierung des Goetheschen H<strong>aus</strong>es. Er braucht<br />

(braucht!) neue Türknöpfe, die in Form von Rosen damals<br />

Mode gewesen zu sein scheinen und gibt nun nach der Mes-<br />

sestadt Frankfurt seine Bestellungen auf. Da antwortet Goethe:<br />

„Nach Rosen will ich mich umsehen, auch wegen der Teppiche<br />

und sonst mir Bekanntschaft machen. Leider ist alles, was wir<br />

verlangen, nicht currente Waare. Wenn wir nicht eilen, finden<br />

wirs doch.“ 5 – Er hat also damals schon bei seinen Einkaufs-<br />

bemühungen hören müssen: Das haben wir nicht, das kriegen<br />

wir erst wieder herein. – Und Meyer, müht sich inzwischen mit<br />

Handwerkern, die sich Zeit lassen und nichts übereilen. Beide<br />

konnten nicht ahnen, daß ihre <strong>Briefe</strong> mal späteren Zeiten tröst-<br />

lich werden könnten.<br />

14. März<br />

Schönen Dank für den Brief. Natürlich sind das die Pla-<br />

tanen, unter den Socrates mit Plato im Gespräche wandelte,<br />

wie wohl im „Phaidon“ zu lesen. Du erkennst sie auch daran,<br />

daß sie von Zeit zu Zeit Rindenstücke vom Stamme abstoßen<br />

5 Brief vom 10. Juli 1793.<br />

Möbelsorgen

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