Arthur Pfeifer Briefe aus Waldheim 1960–1976 - Freundeskreis ...
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1966 Hesse-Sammlung<br />
19. August<br />
Wo ist der Grund für meine Unfähigkeit zu suchen? Darin,<br />
daß ich von Jugend auf einer idealistischen Bescheidenheit ver-<br />
fiel, statt in einem gesunden und handfesten Materialismus<br />
meine Fähigkeiten zu Gelde zu machen.<br />
22. August<br />
Die <strong>aus</strong> Ostasien stammenden Buddleia (auch Buddlea ge-<br />
schrieben) gehört zur Verwandtschaft der Strychnosgewächse,<br />
denen das Strychnin zu verdanken ist. Diese Sträucher wären<br />
in Zoologischen Gärten am Platze, um den Besuchern lebende<br />
Schmetterlinge mühelos vorzuführen. Die schönsten Sträucher<br />
dieser Art sah ich vor dreißig Jahren im Botanischen Garten von<br />
Nymphenburg bei München.<br />
25. August<br />
Heute besuchte mich einer, der 1915 zu mir in die Schule<br />
ging und seit etwa vierzig Jahren in Spanien lebt. Was er zu<br />
erzählen hatte, klang recht anders als das, was hier gelegent-<br />
lich in Zeitungen steht. Es gibt demnach noch Länder, wo Men-<br />
schen leben und nicht in beständiger Angst sich hinfristen. Er<br />
ist von Beruf Automonteur, kann aber schwärmen von Bildern<br />
Goyas, Grecos, Tizians, die er im Prado in Madrid gesehen, von<br />
Picasso, von Casals, von guter Musik, von seltenen Büchern,<br />
hat eine recht klare Kenntnis der spanischen Geschichte und<br />
des Volkscharakters. Ich staune, wie sich ein Mensch in einem<br />
gesunden Klima entwickelt.<br />
26. August<br />
Ich erhielt ein Päckel 25 mit folgenden Hesse-Sachen:<br />
1) „Piktors Verwandlungen“<br />
25 Geschenk von Gerda Baumann <strong>aus</strong> Agra (Schweiz), s. auch Brief vom 2./3. Feb-<br />
ruar 1964.<br />
2) „Hermann Hesse zum Gedächtnis“ (enthaltend die letzten<br />
Gedichte und den Bericht vom Begräbnis)<br />
3) „Besuch bei Hermann Hesse. Bilder <strong>aus</strong> Montagnola“ von<br />
Martin Hesse<br />
4) Hermann Hesse, „Gedichte des Malers“<br />
5) Hermann Hesse, „Abendwolken“<br />
6) Hermann Hesse, „Nächtliche Spiele“<br />
7) Hermann Hesse, „Wache Nacht“ (Einzeldruck des Gedichtes)<br />
8) Einige Zeitungsaufsätze über Kokoschka<br />
Uneröffnet sind diese Drucksachen wohlverschnürt hier an-<br />
gekommen. In so dichter Verschnürung würde hier von der Post<br />
eine Drucksache gar nicht angenommen. Einiges davon hast Du<br />
selbst in Deiner Hesse-Sammlung. Die beiden Bildhefte dürf-<br />
ten Dir aber neu sein. Du wirst sie Dir ansehen, sobald Du mal<br />
die Schwelle meiner Kl<strong>aus</strong>e überschreitest. Die von dem Sohne<br />
Martin Hesse aufgenommenen Bilder zeigen, daß er von der<br />
Kunst der Photographie mehr versteht als ein durchschnittli-<br />
cher Amateur. Vielleicht ist er sogar Porträt-Photograph von Be-<br />
ruf; denn danach sehen die Bilder <strong>aus</strong>. Da wurden Linsen und<br />
Negativmaterial benutzt, die Fachleute anzuwenden pflegen.<br />
Das eine Heft „Besuch bei Hermann Hesse“ ist bereits im Juni<br />
1957 gedruckt, das „Gedächtnisbuch“ 1962.<br />
Die reine Alpenluft auf diesen Bildern steht in krassem Ge-<br />
gensatz zu der, die diese Nacht sich über <strong>Waldheim</strong> wälzte, of-<br />
fenbar direkt von Böhlen und Borna kommend. So ein inten-<br />
siver Gestank von verschwelenden Kohlen ist lange nicht be-<br />
merkbar gewesen, das reinste Gift.<br />
2. September<br />
Gestern las ich wieder mal in den „<strong>Briefe</strong>n deutscher Klassi-<br />
ker“, die 1941 gedruckt sind. Die Einleitung [von Albert Haueis],<br />
in großartiger Stilisierung, wirkt heute sehr seltsam, wenn man<br />
bedenkt, daß zur Zeit ihres Erscheinens die deutschen Truppen<br />
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